Vieles, was in der Kindheit und Jugend von Sabrina Geißelsöder als normal galt, wird heute kritisch gesehen. "Das finde ich gut, wichtig und richtig", sagt die Pfarrerin der Kirchengemeinde Vestenberg.
"Wie unangenehm waren denn beispielsweise Spiele mit Körperkontakt als Konfirmandin?"
Das Thema sexualisierte Gewalt liegt der 33-Jährigen am Herzen. Deshalb hat sie sich entschieden, für das Dekanat Windsbach das Amt der Präventionsbeauftragten zu übernehmen.
Präventionsbeauftragte sollen für sexualisierte Gewalt sensibilisieren
Zusammen mit zwölf anderen Frauen und Männern aus dem Freistaat nahm Geißelsöder vor kurzem an einer Schulung der Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) teil. Zwei Tage lang ging es in Pappenheim unter anderem um die Frage, wie die Präventionsbeauftragten die haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden in den Dekanaten für das Thema sexualisierte Gewalt sensibilisieren können.
"Die wichtigste Erkenntnis der Schulung war, dass es kein Fertig gibt und die Aufgaben einer Präventionsbeauftragten auch nach dem Jahr 2025 nicht enden werden", sagt Sabrina Geißelsöder mit Blick auf das Präventionsgesetz der ELKB. Demnach müssen alle Dekanate und größeren Einrichtungen der Landeskirche bis Ende des Jahres ein Schutzkonzept vorlegen und einen Präventionsbeauftragten benennen.
Etwa zwei Drittel der Dekanate haben das bereits getan und ihre Beauftragten auch ausbilden lassen, berichtet Marlene Lucke. "Es ist beeindruckend, mit welcher Leidenschaft und Ernsthaftigkeit sich die Teilnehmenden auf ihre Aufgabe vorbereiten", freut sich die Mitarbeiterin der Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt.
"Es braucht Klarheit und gute Kommunikation"
Die Motivation bei vielen von ihnen sind die Ergebnisse der ForuM-Studie ("Forschung zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen" in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland).
Auch Sonja Lichteneber hat die bundesweite Untersuchung dazu bewogen, sich zügig in das Thema Prävention einzuarbeiten. Seit Februar fungiert die Diakonin als Präventionsbeauftragte für das Dekanat Nürnberg. Es ist wichtig, dass es vor Ort Menschen gibt, die zum Thema Prävention und Schutzkonzept praxisnah, unkompliziert und kompetent beraten, begleiten und vernetzen können", betont die 38-Jährige. "Es braucht Klarheit und gute Kommunikation."
Sicherheit für Seelsorgende
Ihr Herzensthema aber ist die Seelsorge. Immer wieder träten im Zuge der Präventionsarbeit in diesem Bereich Unsicherheiten auf. "Was nicht passieren darf ist, dass Seelsorgende ihrem Auftrag aus dieser Unsicherheit heraus nicht mehr nachgehen können. Hier braucht es neben einer achtsamen Haltung auch Sicherheit für Seelsorgende."
Zu den Kernaufgaben der Präventionsbeauftragten gehört es laut Florian Kühling (55), die Kirchengemeinden beim Verfassen der Schutzkonzepte zu beraten, über Meldewege aufzuklären sowie Info- und Fortbildungsangebote zu initiieren. Im Ernstfall sind die Beauftragten auch Teil des Interventionsteams. Es soll dazu beizutragen, Grenzverletzungen oder Übergriffe in den Gemeinden aufzudecken und zu klären.
"Über gute Präventionsarbeit schaffen wir die Grundlagen für möglichst sichere kirchliche Arbeit", betont der Beauftragte für das Dekanat Würzburg. "Um das Vertrauen, das die Menschen uns entgegenbringen zu rechtfertigen, sind wir in der Bringschuld - was übrigens Betroffenenvertreterinnen und -vertreter zu Recht von uns einfordern."
Prävention "geht alle an"
Als internationales Partnerschaftszentrum der ELKB muss auch die Organisation Mission EineWelt ein eigenes Schutzkonzept erarbeiten und einen Präventionsbeauftragten benennen. Die Wahl fiel auf Compliance Managerin Christina Engels-Müller. "Mein Anliegen ist, dass unser nun vorhandenes Schutzkonzept nicht als Papier in der Schublade verstaubt", betont die 38-Jährige. "Ganz wichtig ist mir auch: Das Thema soll nicht abschrecken." Engel-Müller geht es um Sicherheit für alle, die Minimierung von Risiken Unterstützung im Ernstfall.
Unterm Strich gehe das Thema Prävention alle etwas an, betont Sabrina Geißelsöder.
"Kennt nicht jeder jemanden, der jemanden kennt oder ist sogar selbst schon Opfer von übergriffigem Handeln geworden?"
Die Enttabuisierung des Themas ist der Präventionsbeauftragten des Dekanats Windsbach wichtiger als das Konzept selbst. Das sieht sie eher als Mittel zum Zweck. "Dadurch müssen die Kirchengemeinden ins Arbeiten und Nachdenken kommen und das Thema ernst nehmen.
Schon nach ihrer ersten Schulung sei ihr bewusst geworden, wie schnell Grenzen verschwimmen und nicht mehr eingehalten werden. Zwar müsse nicht alles verboten werden. Aber ihr ist es wichtig, dass alle Mitarbeitenden ein Gespür für die eigenen Grenzen und die ihrer Schutzbefohlenen bekommen. "Das Thema muss zu den Menschen, hin zu unseren Gemeindegliedern, es muss sichtbar werden und es muss darüber gesprochen werden. Daran werde ich fortlaufend arbeiten."
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