Wie kann ein überdimensionierter Marienkäfer aus Schokolade, wie er bis heute verschenkt wird, überhaupt Glück bringen? Oder, noch besser gefragt: Wie soll ein echter Marienkäfer, der auf unserer Hand oder sogar auf den Fingern landet, irgendeinen Einfluss auf unser Leben haben – selbst wenn er eine Weile bliebe und umherkrabbelte?
Und was machen jene, die sich so sehr nach Glück sehnen, dass sie an solche Zeichen glauben, wenn die Zahl der Marienkäfer weiter abnimmt und gegen Null geht? Dann dürfte für Leichtgläubige wohl kein Unglück mehr drohen, wenn sie ihn wegpusten oder gar töten.
Marienkäfer: Bezug zu Maria als Ausrede
Wie kommt es, dass manche Menschen diesen Aberglauben nicht sofort verwerfen? Der Bezug im deutschen Namen zur Mutter Christi ist letztlich nur eine dünne Ausrede, um die antichristliche Vorstellung eines zufälligen Glücks mit religiösem Glanz zu überziehen. Im Englischen heißt das Tier "ladybird" oder "ladybug", im Französischen "coccinelle" – hier fehlt jeder Bezug zur Madonna.
Der Blick in Bücher zur Geschichte des Aberglaubens, ob schmal oder dick, hilft kaum weiter, da sie den Marienkäfer selten erwähnen. Ein früher Fund aus England von 1714 beschreibt ihn als Boten zur geliebten Person: "Fly where the Man is found that I love best." Spätere Kinder- und Jugendreime aus den Jahren 1818, 1842, 1850 und 1883 lassen vermuten, dass der Käfer um 1850 zum Glückssymbol wurde – bis junge Mädchen schließlich überzeugt waren, er könne sie "very, very lucky" machen. In einem deutschen Speziallexikon wird er als "Liebesorakel" und "Orakeltier" bezeichnet und "wie kein anderes Insekt mit einem Schimmer von Poesie umwoben".
Die Suche in französischen Werken blieb – warum auch immer – erfolglos. Die sieben Punkte auf dem Rücken scheinen jedenfalls keinen praktischen Nutzen für den Alltag zu bieten. Und in einer Zeit, in der Kinder wohl seltener Reime zum Spielen verwenden, könnte dieser Aberglaube irgendwann verschwinden.
Blumenorakel und andere Volksweisheiten
Wie steht es mit ähnlichen Vorstellungen, die scheinbar auf Erfahrung beruhen? Das "Blumenorakel" etwa: Ein Gänseblümchen wird Blatt für Blatt gezupft – "sie liebt mich, sie liebt mich nicht…". Diese Zerstörung der Blume könnte man als Aberglauben deuten, wäre da nicht der spielerisch-heitere Charakter, der im Vordergrund steht. Eine echte Erwartung, damit eine Vorhersage zu treffen, scheint selten. Soweit ich mich erinnere, habe ich das Spiel nie bis zum letzten Blatt durchgeführt. Für mich gehörte es in ein kindliches Umfeld, vielleicht noch in dessen spätere Phase. Historische Belege in Nachschlagewerken deuten darauf hin, dass dies auch früher der Fall war.
Zu diesem Umfeld zählten Lebensregeln, Volksweisheiten und Sprichwörter, die auf Beobachtungen der Umwelt beruhen. Gerade seit der Frühen Neuzeit hat dieser Habitus an Bedeutung gewonnen. "Morgenstund hat Gold im Mund" mag wegen der Aussicht auf Erfolg und Reichtum wie ein Aberglaube klingen, ist aber in erster Linie eine Aufforderung, den Tag früh zu beginnen. Vielleicht ist die Aussicht auf harte Arbeit ein Gegenmittel zur verführerischen Welt des Aberglaubens.
Wahrhaft weise: Maria folgen
Auf die Gesundheit wirkt Frühsport im Allgemeinen positiv. "Early to bed and early to rise makes a man healthy, wealthy and wise" – ein Zitat, das Benjamin Franklin zugeschrieben wird, der auch das deutsche Sprichwort übersetzt haben soll. Selbstdisziplin und gesteigerte Arbeitsleistung, wie sie in diesem Satz gepriesen werden, können zu Wohlstand führen. Gesundheit wiederum ist die Folge maßvollen Lebens.
"An apple a day keeps the doctor away" ist seit dem späten 19. Jahrhundert belegt. Liegt die Wirkung am Apfel selbst? Könnte eine Birne denselben Effekt haben? Steht der Spruch vielmehr für die bewusste Pflege der Gesundheit? Oder für die Möglichkeit, sich eine gute Ernährung leisten zu können? Vielleicht stärkt schon die Gewohnheit gesunder Routinen den Körper. Anders als beim Aberglauben gibt es hier mehrere plausible Erklärungsmuster für die angenommene Wirkung – auch wenn der entscheidende Zusammenhang oft offenbleibt.
Und um wahrhaft weise zu werden, können wir der Maria folgen, die das, was sie mit Gott erlebt hatte, in ihrem Herzen bewegte: "Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen."