Seit dem 2. September ist die 14. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung in Kraft und stellt Veranstaltende, Auftretende und Publikum plötzlich vor ganz neue Herausforderungen. Einerseits sind die bisherigen Personenobergrenzen für private und öffentliche Veranstaltungen gefallen. Zumindest für Veranstaltungsorte, die bis zu 5000 Menschen fassen. Andererseits setzt die 3G-Regel, die in dieser Jahreszeit in den meisten Landkreisen im Bund zum Tragen kommt, ein strenges Reglement am Einlass voraus.

Auch in die ehemalige Erlanger Stadthalle kommt man an diesem Tag nur, wenn man geimpft, genesen oder getestet ist. Folglich muss der Veranstaltungsservice Bamberg, der den Auftritt der urbayerischen Kult-Comedians schon mehrfach wegen Corona verschoben hatte, an diesem Abend eine ganze Menge Personal abstellen, die den Einlass kontrollieren, G-Status abfragen und Kontaktdaten erfassen. Da wird die Schlange am Eingang schon mal länger, und der ursprüngliche Beginn der Vorstellung muss um etwa eine Viertelstunde nach hinten rücken, weil die rund 1000 Gäste einfach nicht rechtzeitig an ihren Platz in der nahezu ausverkauften Halle gelangen. Michael Well, der zusammen mit seinem Bruder Christoph "Stofferl" Well 1976 die legendäre Anarcho-Truppe "Biermösl Blosn" gegründet hatte, lobt dann nach zwei Stunden guter Laune auch das Veranstaltungs-Team für ihr Organisationstalent und die Gäste für ihre Geduld – zurecht.

Multi-Instrumentalisten am Werk

Da hatten die beiden Brüder, Nummer 13 und 14 der insgesamt 15 Mädchen und Jungen der Lehrersfamilie aus Günzlhofen bei Fürstenfeldbruck bereits in jeweils zwei gut einstündigen Sets zusammen mit Bruder Karl, seit 2012 Teil der Nachfolger-Formation "Well-Brüder", an Bach-Trompete, Drehleier, Harfe, Tuba, Tenorhorn, Gitarre, Klarinette und Piccolo-Flöte begeistert – die Multi-Instrumentalisten beherrschen mühelos das bayerische "Gstanzerl" bis hin zu konzertanten Kabinettstückchen. Schuhplattler, Bauchtanzeinlage und Stepptanz inklusive.

In sich haben es aber vor allem die Texte. Dem "Coronator" Markus Söder wird ein an die katholische Vaterunser-Liturgie erinnernder Wechselgesang gewidmet, in dem der oftmals harte Kurs des bayerischen Ministerpräsidenten in der Corona-Politik aufs Korn genommen wird. Der Franke kriegt sein Fett dann noch einmal in einer Persiflage auf Bayerns Weltraumprogramm "Bavaria One" weg, wenn die drei feststellen, dass die CSU auf ihren Höhenflügen wahrscheinlich sogar die Milchstraße achtspurig ausbauen will.

Ebenfalls die auftrittslosen vergangenen Monate für neues Material genutzt zu haben scheint Gerhard Polt. Der Münchener steht nun schon seit fast einem halben Jahrhundert auf der Bühne, allein 40 Jahre davon mit den Well-Brüdern. Seine bissigen Persiflagen auf kleinbürgerliche "Deppen", wie sie jeder in seiner Nachbarschaft hat, und satirischen Blicke hinter die Fassaden manch menschlicher Masken zünden noch immer. Man merkt dem Mann jedenfalls nicht an, dass er im kommenden Jahr schon 80 wird.

Glaubensthemen auf die Schippe genommen

Immer wieder sind es auch Glaubensthemen, bei denen das parodistische Geschick des Altmeisters zu Höhenflügen ansetzt: Zum Beispiel, wenn er in die Rolle eines indischen, katholischen Pfarrers schlüpft, der eine Fahnenweihe durchführen soll, und in einem Interview auf Hindi-Englisch beklagt, dass er als Hirte keine Schafe ("no sheep") mehr in seiner Kirche vorfindet. Dass viele katholische Pfarrstellen heute nicht mehr mit Priestern deutscher Muttersprache besetzt werden können, weiß der ehemalige Ministrant ebenso, wie es bei diesen meist sehr konservativen Geistlichen hin und wieder zu lustigen Situationen kommt, wenn diese auf allzu traditionell bajuwarische Gepflogenheiten treffen.

Doch Polt, der sich heute als "religiöser Freelancer" bezeichnet, macht generell keine Gefangenen, wenn's um die "Anbieter von Glaubensinhalten" geht. "Wenn eine Religion einen Menschen erschnuffelt, san's scho da, mit der Obladn oder sonstwas", bekennt Polt, der aber auch schon der Evangelischen Akademie in Tutzing gerne Rede und Antwort stand.

Am Ende gibt’s für die vier Künstler stehende Ovationen vom Publikum, das gut zwei Stunden lang vergessen hatte, dass Lachen nur hinter der Maske möglich war. Dem Quartett, das sich ebenso gut gelaunt mit einem hüftschwingenden Polt als Anführer schwungvoll mit dem Phantasie-Nonsense-Lied "Emambwele" verabschiedete, hat das Strahlen in den Augen der Gäste sichtlich gut getan.

Well-Brüder am 4.10.2021 in Erlangen
Die Well-Brüder aus'm Biermoos sind eine Musik- und Kabarettgruppe aus Bayern.