Dass Pfarrer den Dekansposten ihres eigenen Dekanats übernehmen, ist – um Loyalitätskonflikte zu vermeiden – in der Landeskirche eigentlich verpönt. Auch Markus Ambrosy war nicht gleich begeistert, künftig der Chef seiner Kollegen zu sein. Doch die Ermutigung aus den zwölf Gemeinden des Brucker Dekanats sei überwältigend gewesen, sagt der Vater von drei erwachsenen Kindern. Zudem stecke das Dekanat mit dem Prozess "Profil und Konzentration" (PuK), der Stellenplanung für 2020 und der Modernisierung des Diakonischen Werks in komplexen Prozessen – gut, wenn der neue Dekan mit alter Sachkenntnis die Geschäfte nahtlos übernehmen kann.
Also befindet sich der Freizeit-Sportler derzeit im organisatorischen Dauerlauf: Die Geschäftsführung der Puchheimer Auferstehungskirche muss geordnet übergeben und die Dekanstermine eingespurt werden. Klare Strukturen sind da nützlich – gut, dass Ambrosy nach seinem Theologiestudium in München und Erlangen eine Promotion über das "System der praktischen Theologie" des Erlanger Universitätspredigers Gerhard von Zezschwitz (1825-1866) drangehängt hat.
Strukturen schaffen, um Burn-out zu vermeiden
Schon im 19. Jahrhundert ging es um die Struktur kirchlicher Handlungsfelder und ihre theologische Begründung. Für Ambrosy leiten sich daraus auch 150 Jahre später für den "fröhlichen Hühnerhaufen" Kirche wesentliche Fragen ab: "Was tun wir und warum? Wer arbeitet woraufhin? Wer übernimmt den Stab?" Kirchliche Mitarbeiter könnten oft schlecht abgrenzen, wo ihr Aufgabenbereich ende und sie sich zurücklehnen könnten. Das zu verändern, sei nötig – "und zwar nicht erst bei Burn-out", sagt der Segler, der bei kurzen Törns auf dem Ammersee neue Kraft tankt.
Vier fundamentale Veränderungen macht der Dekan für die Kirche der Zukunft aus: "Weniger Mitglieder, weniger Mitarbeiter, weniger Geld und Relevanzverlust der kirchlichen Botschaft." Den Schrumpfprozess könne man durch geschicktes Management auffangen, schwieriger sei es beim Bedeutungsverlust. "Statt offener Anfeindung erleben wir eine nicht enden wollende Diffusion in der Options-Gesellschaft", beschreibt Ambrosy das Dilemma. Viele Menschen lebten bereits in der zweiten Generation ohne religiöse Bindung – ohne etwas zu vermissen.
Warum ist es gut für Menschen, Christ zu sein?
Der PuK-Prozess, der Kirche wieder stärker zu den Menschen bringen möchte, sei deshalb angstbesetzt: "Wir befürchten, dass wir keine überzeugende Antwort mehr finden auf die Frage, warum es gut ist, Christ zu sein." Doch statt sich als entthronte Deutungs-Monopolistin beleidigt zurückzuziehen, müsse Kirche mehr Zeit, Geld und Mitarbeiter einsetzen, um die vielen Mitglieder zu pflegen, "die Kirche gern mögen, aber lieber aus der Ferne".
Der Bergsteiger scheut nicht den Vergleich mit dem Alpenverein. "Ich lese die Verbandszeitschrift, leihe Ausrüstung aus, aber gehe nie zu den Hauptversammlungen – trotzdem bin ich dem Thema Berge und Umweltschutz hochverbunden", sagt der Skitourengeher.
Moderne Sprache für Taufen und Hochzeiten
Kasualien sind für Ambrosy der perfekte Anknüpfungspunkt zu den Menschen. Kleine Änderungen im gewohnten Ablauf hätten erstaunliche Wirkungen: "Gute Wünsche für Jonas" könnten Paten, Großeltern und Freunde leichter formulieren, als Fürbitten. Im Internet fänden Paare Trausprüche "von banal bis genial" – die theologische Transferleistung sei dann Sache des Pfarrers. Über Religion zu sprechen ohne Scham: Das ist Ambrosys Wunsch.
Auch Jugendarbeit ist für ihn ein Thema. Alle zwölf Gemeinden des Dekanats befinden sich im Münchner Speckgürtel. "Hier wohnt man, weil man es sich leisten kann", sagt der Pfarrer. Bei Konfirmationen trage jeder Junge einen neuen Anzug und die Mädchen schicke Kleider. "Aber auf dieses Leben besteht kein Anspruch. Es geht nicht um Stand und Status, sondern darum, Verantwortung zu übernehmen", sagt Ambrosy.
Kirche als Übungsfeld für Verantwortung
Dafür könne Kirche ein Übungsfeld sein – und zugleich positive Erfahrungen vermitteln. "Glaube ohne Erfahrung ist blind und stumm. Kirche kann Menschen fragen: Wo spürst du etwas?", sagt der Dekan. Erfolgsdruck spürt er bei dieser Mission nicht. "Vieles ergibt sich. Die Wartezeit bis dahin muss man aushalten."