Diese Christen bekommt man nicht mehr auseinander: Hand in Hand bildeten mehr als 800 Menschen jeden Alters anlässlich der ökumenischen Nacht der Kirchen im Allgäu eine Menschenkette entlang dem ein Kilometer langen Weg zwischen den beiden Hauptkirchen in Kempten – der römisch-katholische Basilika St. Lorenz und der evangelisch-lutherischen St.-Mang-Kirche. In Höhe der Freitreppe trafen die Menschen aus beiden Kirchen zusammen, fielen sich in die Arme, klatschten sich ab, applaudierten, allen voran der evangelische Dekan Jörg Dittmar und Stadtpfarrer Bernhard Ehler von St. Lorenz.
Hatte es am Nachmittag noch Bindfäden gegossen, so tat sich während der Aktion der Himmel über der Menschenkette auf und zeigte ein leuchtendes Abendrot. Das bisher einmalige Erlebnis der Menschenkette hat historische Bedeutung: Immerhin war Kempten bis vor 200 Jahren noch Doppelstadt, geteilt in eine katholische Stiftsstadt und eine evangelische Reichsstadt.
»Ein guter Tag für Kempten«
Überschrieben war die Aktion der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (AcK) in Kempten mit dem Bibelwort aus Epheser 4, 3: »Eins im Geist durch das Band des Friedens«. Schon um 20.06 Uhr verkündete Dekan Jörg Dittmar in der St.-Mang-Kirche: »Es klappt! Es sind ausreichend Menschen gekommen.« Koordiniert über Funk, waren beide Kirchen ständig über den Stand der Menschenkette auf dem Laufenden. An der Klostersteige moderierte Gerhard Kehl, Gründer und geistlicher Leiter der Jordan-Stiftung, den Ablauf. Hier wurde vom Posaunenchor und der Jordan-Stiftung musiziert.
Als Erstes ging eine Welle von einer zur anderen Kirche. Mit roten Schals, die zu Beginn an den beiden Kirchen ausgeteilt worden waren, knüpften die Menschen ein Band des Friedens. Dann wurde die neue Fassung der Lutherbibel von der St.-Mang-Kirche aus zur Mitte der Menschenkette gegeben, während von der Lorenz-Basilika die neue Einheitsübersetzung Hand für Hand weitergereicht wurde. In Höhe der Freitreppe tauschten Dittmar und Ehler die Bibeln mit den Worten: »Das lebendige Wort wurde gewechselt!« – als Symbol des gemeinsamen Auftrags, das Evangelium in der Stadt zu verkünden.
Zum Finale trafen sich dann alle Beteiligten im Zentrum an der Klostersteige. »Das ist ein guter Tag für Kempten und das Allgäu«, freute sich Gerhard Kehl. Er zitierte Kardinal Reinhard Marx, den Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, der bei einem gemeinsamen Buß- und Versöhnungsgottesdienst zum 500. Reformationsfest sagte: »Diese Christen bekommt man nicht mehr auseinander.«
Oberbürgermeister Thomas Kiechle meinte: »Heute sind die Menschen selbst zum Segen geworden.« Die Freude an Gott sei unsere Kraft: »Ein Symbol für Frieden und Versöhnung geht heute von Kempten aus in alle Welt.«
Wachsende Einheit der Christen
»Ich war dabei«, meinte Dekan Jörg Dittmar mit Stolz und Gänsehaut. »Menschen reichten einander die Hand und standen ein für ihren Glauben, für Frieden und ein gutes Miteinander in unserer Stadt.« Die Menschenkette überbrücke die alten Gräben der Konfessionen und sei zugleich ein hochaktuelles Zeichen, dass »wir mit Zäunen, Mauern und Abschottung weder unsere eigenen Probleme noch globale Herausforderungen werden meistern können«. Auch für Stadtpfarrer Dr. Bernhard Ehler ist die Menschenkette ein Zeichen für die wachsende Einheit der Christen in Kempten.
Nach dem Segen löste sich die Menschenkette auf und die Teilnehmer konnten in neun Kemptener Kirchen der inzwischen 6. Ökumenischen Kirchennacht beiwohnen.