Der CSU-Landtagsabgeordnete Manfred Ländner ist auch Präsident des Nordbayerischen Musikbunds (NBMB). In dieser Funktion vertritt er mehr als 45.000 Musiker: Der NBMB ist der größte Musikverband im Freistaat. Ländner weiß: Musikunterricht allein reicht nicht mehr, damit die Kinder und Jugendlichen kommen. Es braucht Extra-Angebote und Rahmenprogramme.
Geht den Musikvereinen die Luft aus?
Manfred Ländner: Nein, so schlimm steht es nicht. Wir haben seit etlichen Jahren stabile Mitgliederzahlen in den Vereinen. Ein leichter Rückgang bei Kindern liegt auch am demografischen Wandel: Die Menschen werden immer älter, dafür gibt es anteilig weniger Jüngere – das spiegelt sich auch in der Zusammensetzung der Blaskapellen in Nordbayern wider.
Lernen heutzutage also weniger Junge ein Instrument?
Ländner: Das ist von Ort zu Ort verschieden. Verallgemeinernd lässt sich sagen: Je aktiver ein Musikverein, desto mehr junge Leute finden auch zum Blasmusikspielen – weil es ihnen vorgelebt und dadurch auch schmackhaft gemacht wird. Zudem stehen Musikvereine natürlich in Konkurrenz zu anderen Freizeitangeboten. Wobei wir auch feststellen: Viele Kinder sind mehrfach engagiert, andere gar nicht.
Etliche Vereine klagen, dass zwar viele Kinder anfangen, aber auch schnell wieder aufhören.
Ländner: Diese Beobachtung machen wir verbandsweit – leider. Das liegt allerdings auch an der Art, wie manche Vereine den Nachwuchs einbinden. Auch gleich zu Beginn der Ausbildung sollte es zum Beispiel Aufführungen geben, das ist sehr motivierend. Und neben der Musik muss man ein Zusammengehörigkeitsgefühl schaffen – wie beim Teamsport.
Welche Rolle spielen hier überbehütende Helikoptereltern, die selbst beim Unterricht mit dabei sein wollen?
Ländner: Es gibt überbehütende Eltern, aber auch sehr fordernde Eltern, gerade wenn es um Leistungsabzeichen geht. Da wird manchmal sehr großer Druck gegenüber Kindern, Lehrern und Vereinen aufgebaut. Das richtige Maß ist wie bei allem entscheidend. Dieser Entwicklung lässt sich jedoch auch etwas Positives abgewinnen: Viele Eltern interessieren sich heutzutage wesentlich mehr für die Freizeitgestaltung ihrer Kinder!
Was reizt an einer Bläserausbildung im Musikverein?
Ländner: Ich denke, dass das Erleben von Gemeinschaft etwas Besonderes ist, das andere musikalische Ausbildungen weniger leisten. Es sollte aber auch altersgerecht zugehen, vom Grundschul- bis ins Teenageralter. Neben der Musik spielt auch eine Rolle, ob die Bläserklasse mal zusammen grillt oder Zelten geht oder sonst irgendetwas zusammen unternimmt, außer Proben.
»Musikvereine dürfen nicht nur auf den Nachwuchs warten.«
Wie können die Musikvereine attraktiver wirken?
Ländner: Da gibt es kein Patentrezept. Ich kann aus meiner Erfahrung nur sagen: Die Vereine, die keine Nachwuchssorgen haben, sind in der Regel die Vereine, die mit ihrer Jugend ein eigenes Programm machen, musikalisch wie gesellschaftlich. Wo der Nachwuchs nicht nur Mitläufer und Verstärkung der Hauptkapelle ist, sondern sein eigenes Ding macht und dabei professionell angeleitet und betreut wird.
Welche Rolle spielt ein zeitgemäßes Repertoire? Oder begeistert die Kinder auch die Musik zum Fronleichnamszug?
Ländner: Für Kinder ist es wichtig, dabei zu sein, sich und ihr Können präsentieren zu können. Die Zusammenstellung des Repertoires ist da nicht so entscheidend. Wenn ein Kind bei einer Fronleichnamsprozession mitlaufen und mitspielen darf, dann ist das für ihn Ereignis, unabhängig von der Auswahl der Stücke. Es ist ja wichtig, dass man das Erlernte zeigen kann, ganz egal ob bei einer Prozession, einem Standkonzert oder einem Geburtstagsständchen.
Was hat sich in den vergangenen 25 Jahren bei der Ausbildung in den Vereinen grundsätzlich verändert?
Ländner: Es reicht heute nicht mehr, als Verein einfach nur da zu sein und auf den Nachwuchs zu warten. Früher haben die Kinder geradezu darauf hingefiebert, endlich alt genug zu werden, um in der Blaskapelle mitzumachen. Heute ist es vor allem in den Augen vieler Eltern so: Der Musikverein muss froh sein, wenn ihr Kind seine Zeit zur Verfügung stellt. Das ist eben eine andere Sicht der Dinge, damit muss man heute klarkommen und dementsprechend in der Ausbildung etwas bieten.
Ist das auch ein Problem für die Musikvereine, dass die Kinder in der Schule heute so gefordert sind?
Ländner: Die größten Zeitfresser außerhalb der Schulzeit sind in aller Regel Computer, Spielekonsolen, Smartphones, soziale Netzwerke, das Internet. Ich verteufle das nicht, aber wenn mir jemand sagt, er hat keine Zeit, ein Instrument zu lernen, ist das oft nur ein vorgeschobenes Argument. Zudem arbeiten mittlerweile viele Vereine in der Instrumentenausbildung mit Schulen zusammen, zum Beispiel beim Ganztagesangebot.
Wie oft greifen Sie selbst noch zum Instrument?
Ländner: Dazu komme ich leider schon seit vielen Jahren nicht mehr. Das liegt jedoch nicht nur an meinem Landtagsmandat, sondern auch an der Funktionärsarbeit im Nordbayerischen Musikbund und in einigen anderen Ehrenämtern. Ich bin von Herzen Bläser, nämlich Posaunist gewesen – aber wenn man da nicht dranbleibt, dann ist der Ansatz weg und dann macht das keinen Sinn mehr. Ich hoffe, dass ich im Ruhestand wieder mehr Zeit habe und die Posaune wieder zur Hand nehme – vielleicht in einem der neu gegründeten Seniorenorchester.