Salzgitter (epd). Fast 40 Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl sind Pilze in einigen Regionen Deutschlands - vor allem in Bayern - nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz immer noch radioaktiv belastet. Weil für die Strahlendosis durch Pilzmahlzeiten aber auch die verzehrte Menge entscheidend sei, hielten Experten einen "maßvollen Verzehr" aber überall in der Bundesrepublik für unbedenklich, erklärte die Behörde am Dienstag in Salzgitter anlässlich der Veröffentlichung ihres aktuellen Pilzberichts.
Vor allem im Bayerischen Wald und den angrenzenden Gebieten, im Donaumoos südwestlich von Ingolstadt, in der Region Mittenwald und im Berchtesgadener Land können demnach noch einige Pilzarten den Grenzwert für Cäsium-137 überschreiten. Dieser Grenzwert gilt für Pilze im Handel, jedoch nicht für selbst gesammelte Pilze. Er liegt bei 600 Becquerel Cäsium-137 pro Kilogramm Frischmasse. Die Einheit Becquerel gibt die Anzahl der radioaktiven Zerfälle pro Sekunde an.
Hohe Cäsium-137-Werte gehen in erster Linie auf den Reaktorunfall von Tschernobyl im Jahr 1986 zurück. Damals verteilten sich mit der Luft große Mengen radioaktiver Stoffe über Europa. In den genannten Regionen lagerte sich im bundesweiten Vergleich besonders viel Cäsium-137 ab. Darüber hinaus enthalten Wildpilze auch Cäsium-137, das bei oberirdischen Kernwaffentests im 20. Jahrhundert freigesetzt wurde.
In seinem Pilzbericht veröffentlicht das Bundesamt jährlich aktuelle Messwerte. Dafür untersuchen die Fachleute wild wachsende Speisepilze von ausgewählten Standorten auf ihren Gehalt an Cäsium-137. Je nach Pilzart und Cäsium-Kontamination des Bodens am Sammelort zeigen sich dabei deutliche Unterschiede. Als Spitzenreiter stachen bei den Messungen der vergangenen drei Jahre Semmelstoppelpilze und Rotbraune Semmelstoppelpilze heraus.
Einzelne Proben dieser Pilze enthielten über 4.000 Becquerel Cäsium-137 pro Kilogramm Frischmasse. Werte über 1.000 Becquerel Cäsium-137 pro Kilogramm wies das Bundesamt bei verschiedenen Schnecklingsarten, Gelbstieligen Trompetenpfifferlingen, Maronenröhrlingen, Rotbraunen Scheidenstreiflingen, Seidigen Ritterlingen, Dickblättrigen Schwärztäublingen und Blassblauen Rötelritterlingen nach.
Welche zusätzliche Strahlendosis die Bürger als akzeptabel erachteten, sei eine ganz persönliche Entscheidung, sagte die Präsidentin des Bundesamtes, Inge Paulini. Eine Beispielrechnung könne dabei helfen: "Eine erwachsene Person, die jede Woche eine Mahlzeit aus 200 Gramm Pilzen mit 2.000 Becquerel Cäsium-137 pro Kilogramm verzehrt, erhält pro Jahr eine zusätzliche Strahlendosis von 0,27 Millisievert. Das ist etwa so viel wie bei rund 20 Flügen von Frankfurt am Main nach Gran Canaria."
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