München, Stuttgart (epd). Krankenhauspatienten können laut Experten wegen einer EU-Reform heute schon teilweise nicht mehr nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft behandelt werden. Konkret geht es um eine Reform, wonach Medizinprodukte - auch solche, die schon Jahre auf dem Markt sind - eine neue Zertifizierungsprozedur durchlaufen müssen, berichten die "Stuttgarter Zeitung" und die "Stuttgarter Nachrichten" (Montag). Besonders betroffen seien Kinder und vor allem Neugeborene.

Wegen der noch fehlenden Neu-Zertifizierung von Spezialprodukten etwa von Ballonkathetern und Stents für Kinder, müsse teilweise wieder verstärkt operiert werden, erläuterte Professor Nikolaus Haas, Chefarzt im Klinikum Großhadern in München sowie Abteilungsleiter für Kinderkardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität. Das neue Gesetz sei "schlichtweg eine Katastrophe" und müsse "gestoppt werden, um weiteres Unheil von den Kindern abzuwenden".

"Dass Kleinkinder mit angeborenem Herzfehler schon heute nicht mehr bestmöglich versorgt werden können, bestätigen viele Ärzte", sagte auch Andrea Hauser, Justiziarin der Deutschen Krankenhaus-Gesellschaft DKG. Bei diesem Thema sei "schnelles Handeln gefragt". In einem Schreiben der DKG sowie von fünf medizinischen Fachgesellschaften an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist von einem "drohenden medizinischen Rückschritt von mehreren Jahrzehnten" die Rede.

Das wegen der EU-Reform für Medizinprodukte nötige neue Zertifizierungsverfahren sei langwierig und teuer, sagte Meinrad Lugan, Vorstand des Medizinprodukte-Herstellers B. Braun, den Stuttgarter Zeitungen. Für sein Haus beliefen sich die Kosten pro Produkt "nie unter 250.000 Euro".