München (epd). Seit Anfang November trägt das Prodekanat München-Süd das kirchliche Umweltsiegel "Grüner Gockel". Nach derzeit 203 evangelischen Gemeinden in ganz Bayern beschreitet damit erstmals ein ganzer Dekanatsbezirk den Weg des systematischen Umwelt- und Klimaschutzes. "Der Grüne Gockel ist das einzig wirksame Werkzeug, um die Klimaneutralität der Landeskirche bis 2035 zu erreichen", sagte Umweltauditorin Nicole Schröder-Rogalla im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Wenn Dekanate ins Umweltmanagement einsteigen, könne mehr erreicht werden, "weil die Zahnräder größer werden".

Im Umweltprogramm des Prodekanats geht es nicht mehr in erster Linie um Glühbirnen und Heizungsthermostate. Sondern um solche Fragen: Woher bekommen Pfarrer, Sekretärinnen, Hausmeister und Kirchenvorstände fundiertes Wissen, Software und Technik für das Klimathema? Wie stärkt man die ehrenamtlichen Umweltteams, wie entlastet man Hauptamtliche? "Wir versuchen, Gemeinden eine Brücke zu bauen und ihnen die Dinge zu erleichtern, die sie sowieso tun müssen", erklärt Schröder-Rogalla.

Dazu gehören zum Beispiel der CO2-Ausweis und der Energiepass: Beides Dokumente, die Gemeinden seit 2022 verpflichtend für jedes ihrer Gebäude erstellen müssen. Auch der Eintrag aller Verbrauchsdaten ins "Grüne Datenkonto" der Landeskirche ist schon seit 2018 vorgeschrieben. "Aber nur ein Drittel der Gemeinden macht das bislang", beschreibt Christina Mertens von der landeskirchlichen Arbeitsstelle "Klimacheck und Umweltmanagement" das "Vollzugsdefizit" der geltenden Regeln. Die Gründe sind in den meisten Gemeinden dieselben: keine Zeit, keine personellen Ressourcen - und so richtig Lust auf Zahlenkolonnen in Excel-Tabellen haben auch nicht alle.

Doch wer seinen Verbrauch nicht kennt, weiß auch nicht, wo er sparen kann. Deshalb organisiert das Prodekanat Süd ab Januar für seine elf Gemeinden kostenlose Fortbildungen in den verschiedensten Sparten, um das nötige Wissen zu verbreiten: Grünes Datenkonto für die Gemeindesekretärin, Heizungswartung für den Hausmeister, Energiepass für die Pfarrpersonen, Profi-Workshops für Spezialfragen. Und dazu gleich noch die nötigen Schulungen für Ersthelfer, Brandschutz- und Sicherheitsbeauftragte.

Denn auch diese Bereiche fragt das umfangreiche Gockel-Zertifikat ab - einfach deshalb, weil sie Pflicht sind. Kirche sei in dieser Hinsicht ein Betrieb wie jeder andere, sagt Christine Glaser, stellvertretende Dekanin im Münchner Süden. Sie stehe nicht im rechtsfreien Raum und müsse ihre Pflichten erfüllen. "Der Grüne Gockel nervt wie jeder Gockel, der morgens loskräht", sagt die Pfarrerin. Aber das Tier sei bewusst gewählt - mit einem grünen Faultier käme man wohl nicht weiter.

Allerdings erleben die drei Expertinnen immer wieder, dass Umweltschutz in Gemeinden scheitert. Typischer Fehler: "Der Kirchenvorstand beschließt den Gockel, aber das Team bekommt keinen Rückhalt und steht am Ende im Regen da", zählt Auditorin Schröder-Rogalla auf. Pfarrerin Glaser weiß Abhilfe: "Es ist wichtig, dass jemand aus der Gemeindeleitung mit Entscheidungsbefugnis im Umweltteam ist." Das spare unnötige Kommunikationsschleifen und viel Frust. Dass der Gockel erstmal viel Arbeit macht, weiß auch Christina Mertens: "Das Ziel ist, die Pflicht am Ende nebenbei erledigen zu können und mehr Zeit für Lieblingsprojekte zu haben." Genau dafür biete das Umweltmanagement den Rahmen.

Die Expertin im Landeskirchenamt stellt fest, dass in Sachen Klima "unfassbar viel in Bewegung" ist. Weil die Landeskirche ihren Beschluss, bis 2035 klimaneutral zu sein, auch mit einem Klimagesetz hinterlegen wird, steige zunehmend die mittlere Ebene ins Umweltschutzmanagement ein. Nach dem Münchner Süden bekommt bereits am 17. November mit Schweinfurt der zweite evangelische Dekanatsbezirk der Landeskirche seine Gockel-Plakette. Die Unterfranken wollen ihre Räume bis 2035 klimaneutral betreiben und so viele Photovoltaik-Anlagen wie möglich auf den Dächern im Dekanat installieren, sagte Umweltbeauftragter Heiko Kuschel auf epd-Anfrage. Im oberfränkischen Dekanat Wunsiedel haben von 2020 bis 2022 zwölf von 16 Gemeinden das kirchliche Energiemanagement "Sparflamme" absolviert.

Das Dekanat Regensburg wiederum konzentriert sich voll auf die Heizungen. "In einer Gemeinde in einem Jahr von 40 Tonnen CO2 auf Null zu kommen, ist möglich", wirbt Dekanatsklimaschutzbeauftragter Roland Thürmel. Den Weg dorthin ebne man mit einer Honorarkraft fürs "Grüne Datenkonto" und Experten der Energieagentur, die Gebäude prüfen und Empfehlungen für Kirchenvorstände ausarbeiten - samt Tipps für staatliche Fördermöglichkeiten.

Allen Unentschlossenen macht Christina Mertens Mut. Die kirchliche Umweltarbeit sei bayernweit vernetzt. Man müsse das Rad nicht neu erfinden, sondern könne von vielen Ideen profitieren. "Es macht einfach Spaß zu sehen, was man dabei erreichen kann", sagt die Expertin.