München, Mannheim (epd). Weniger Kürzungen bei Sozialleistungen für Bürgergeldempfänger, die mehr arbeiten, würde deren Beteiligung am Arbeitsmarkt erhöhen. Das ist das Ergebnis eines Reformvorschlags, den das ifo Institut in München und das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) entwickelt haben. "Diese Reform würde sogar mehr Geld in die Staatskasse bringen", sagte Studienleiter Andreas Peichl vom ifo Institut in einer Mitteilung vom Dienstag.

Die Reform innerhalb des Systems würde die Erwerbstätigkeit demnach um 136.000 Personen erhöhen. "Damit könnte sich die Reform selbst finanzieren. Denn die öffentlichen Haushalte hätten am Ende rund 1,1 Milliarden Euro mehr an Steuern und Sozialabgaben", sagte Holger Stichnoth vom ZEW. Der Vorschlag ziele auf Alleinerziehende und Alleinstehende ohne Kinder sowie Paare mit drei und mehr Kindern, weil hier die Beschäftigungseffekte entstünden.

Bislang werden Sozialleistungen wie das Wohngeld bei Einkommen über 520 Euro monatlich bis 1.000 Euro um 80 bis 100 Prozent gekürzt. Damit sich Mehrarbeit lohnt, weil vom Zuverdienst netto mehr übrigbleibt, sieht die Reform vor, die Sozialleistungen in Zukunft bis zu einer Verdienstgrenze von 2.000 Euro nur zu 70 Prozent zu kürzen.

Bei Einkommen über 2.000 Euro monatlich sollen statt bisher 100 Prozent der Sozialleistungen nur noch 65 Prozent gekürzt werden, "weil wir gesehen haben, dass da die Reaktion noch ein bisschen stärker ist", sagte Stichnoth dem Evangelischen Pressedienst. Der Anreiz für mehr Erwerbstätigkeit sei dann noch höher. Eine festgelegte Einkommensgrenze, ab der Sozialleistungen auf einen Schlag um 100 Prozent gekürzt werden, solle es nicht mehr geben. Das hänge dann von der Einkommenszusammensetzung in den jeweiligen Haushalten ab. "Man will Abbruchkanten vermeiden", sagte Stichnoth weiter.

Die Reform stelle der Mitteilung zufolge keine Bedarfsgemeinschaft schlechter. "Die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung zeigen, dass eine solche Reform auf eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen würde. Insofern dürften die Hürden bei der Umsetzung verhältnismäßig einfach zu überwinden sein", sagte Maximilian Blömer vom ifo Institut.

Die Beschäftigungseffekte ließen sich noch weiter erhöhen, wenn die Anrechnungsrate beim Zusatzbetrag der Kindergrundsicherung von 45 Prozent auf 25 Prozent gesenkt würde. Dies würde dem Gutachten zufolge Haushalte mit Kindern besserstellen und insgesamt zu einer weiteren Erhöhung der Erwerbstätigkeit führen. Diese kombinierte Reform würde die öffentlichen Haushalte dann jedoch nicht mehr um 1,1 Milliarden, sondern nur um etwa 500 Millionen Euro entlasten.

Die Studienmacher schlagen außerdem vor, dass die derzeitige Zweiteilung aus Bürgergeld und Wohngeld in eine einheitliche Grundsicherung überführt wird. Das würde zu einer wesentlichen Vereinfachung und damit Entlastung der Verwaltung führen und hätte noch größere Beschäftigungseffekte.

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