Hannover, München (epd). Die Justizministerinnen und -minister aus sieben Bundesländern warnen davor, dass wegen der Corona-Pandemie Strafprozesse zu platzen drohen. Grund sei das Auslaufen einer vom Bundesgesetzgeber im März 2020 geschaffenen, zeitlich befristeten Vorschrift, wonach Gerichtsprozesse aufgrund von Infektionsschutzmaßnahmen länger als üblich unterbrochen werden könnten, teilte das niedersächsische Justizministerium am Montag in Hannover mit. Die Regelung sei zum 30. Juni entfallen.
Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein fordern deshalb umgehend eine Nachfolgeregelung. Eine neue Regelung erst mit dem Corona-Maßnahmenpaket des Bundes zum Herbst komme zu spät, hieß es aus den sieben CDU-geführten Ministerien.
"Die Infektionen greifen nur so um sich", sagte Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU): "Gerichte und Staatsanwaltschaften benötigen dringend und vor allem zügig mehr Flexibilität." Bei Überschreiten der Unterbrechungsfristen nur um einen Tag müsse die komplette Verhandlung neu begonnen werden. "Das ist nicht nur für die Gerichte frustrierend und für die Opferzeugen belastend - es kostet den Steuerzahler auch sehr viel Geld."
Hessens Justizminister Roman Poseck (CDU) sagte: "Es ist unverständlich, dass die Regelung überhaupt gestrichen wurde." Ihre Kritik haben die Länder auch in einem gemeinsamen Brief an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) formuliert. Niedersachsen kündigte zudem eine Bundesratsinitiative an. Danach solle "höhere Gewalt" unbefristet in die Strafprozessordnung aufgenommen werden, um in außergewöhnlichen Lagen Unterbrechungsfristen auszusetzen.
Grundsätzlich erlaubt die Strafprozessordnung bisher nur eine vergleichsweise kurze Unterbrechung einer Hauptverhandlung von bis zu drei oder vier Wochen. Nur in klar benannten Fällen wie bei einer Erkrankung oder Mutterschutz kann der Zeitraum weiter verlängert werden.