Erlangen, Karlsruhe (epd). Nach Auffassung von Experten verändern die sozialen Medien das Leseverhalten. Aus dem Lesen als einsamem Hobby werde ein "social reading", also eine Gemeinschaftsaktion, sagte die Germanistin Gunhild Berg (Halle) am Donnerstag an der Pädagogischen Hochschule in Karlsruhe: "Das Lesen wird laut." Statt allein zu lesen, verbinde sich der Leser oder die Leserin mit anderen. Das knüpfe etwa an die früheren Lesezirkel an, sei heute jedoch "multimodal und in Echtzeit", sagte Berg bei einem Workshop des internationalen Netzwerks "Forschungsfeld Lesen" mit Sitz an der Universität Erlangen-Nürnberg.

Unter dem Begriff "#booklover" werde bei den sozialen Medien wie Tiktok, Twitter oder Youtube "das Viellesen ausgestellt", sagte die Wissenschaftlerin. Dabei gehe es auch um ein "Ringen um Aufmerksamkeit" durch "Herzchen, Likes und Reposts". Außerdem spiele die materielle Seite, etwa der Besitz eines Buches, eine große Rolle.

Gepostet werde der inszenierte Blick ins Lesezimmer inklusive Kaffeetasse, Katzenfotos und "zum Buch passender Tischdecke". Dabei werde das Buch häufig nicht mehr als "intellektueller Genuss", sondern als ein Statussymbol verstanden. Es werde "zum Kunstaccessoire oder gar nur zu bloßer Kulisse".

Wenn Userinnen und User neidvoll auf Zimmer voller Bücher blickten und mit Likes kommentierten, vergäßen sie oft, dass es solche Bücherräume auch öffentlich zugänglich gebe in Form von Bibliotheken, kritisierte sie. Berg sprach sich jedoch nicht generell gegen das "virtuell verstärkte Lesen" aus. Alle Formen, die junge Menschen für das Lesen begeisterten, seien erst einmal gut. So könne man etwa Leseempfehlungen bekommen, Fragen stellen und Wissen sowie Emotionen teilen.

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