München (epd). Die Dolmetscherin Rosemarie Tietze (79) bekommt das Arbeitsstipendium des Freistaats Bayern für literarische Übersetzerinnen und Übersetzer. Sie erhalte die Ehrung für ihre Erstübertragung des russischsprachigen Romans "Getäuscht" von Juri Felsen, teilte der bayerische Kunstminister Markus Blume (CSU) am Dienstag mit. Er würdigte Tietze als "Grande Dame der deutschsprachigen Übersetzung". Mit großer Versiertheit, sprachlicher Eleganz und einem reichen Erfahrungsschatz verwandele sie fremde Sprachlandschaften in vertraute Worte. Das Stipendium ist mit 7.000 Euro dotiert und wird Tietze am 10. Juli im Literaturhaus München übergeben.

Die Jury urteilte, dass Tietze mit der Übersetzung von "Getäuscht" wieder einmal "einen Schatz für die deutschsprachige Literaturwelt" gehoben habe. Der Autor Juri Felsen besteche als Zeitgenosse von Marcel Proust mit einer psychologisch ungemein feinnervigen Charakterisierung seiner Figuren, die von der Übersetzerin auf sensible und kreative Weise ins Deutsche gebracht wurde. Juri Felsen, der 1894 in St. Petersburg geboren wurde und 1943 im Konzentrationslager Auschwitz starb, wird in der Literaturwelt oft auch als "russischer Proust" bezeichnet.

Tietzes Übersetzung von "Getäuscht" soll 2025 im Verlag Kiepenheuer & Witsch erscheinen. Tietze wurde 1944 im Schwarzwald geboren, sie studierte Theaterwissenschaft, Slawistik und Germanistik in Köln, Wien und München. Zu Forschungszwecken hielt sie sich ein Jahr lang in Moskau auf. Seit den 1970er Jahren ist sie als Literaturübersetzerin tätig. Sie übersetzte unter anderem Werke von Fjodor Michailowitsch Dostojewski, Vladimir Nabokov, Boris Pasternak, Alexander Puschkin und Leo Tolstoi.

Tietze erhielt mehrere Auszeichnungen, etwa 2010 den Paul-Celan-Preis für die Neuübersetzung von Leo Tolstois "Anna Karenina" oder 2017 den Deutschen Sprachpreis. Sie lebt in München und in Oberkirch im Schwarzwald. Das Bayerische Wissenschafts- und Kunstministerium vergibt seit 2009 ein Arbeitsstipendium, um die kulturelle Leistung von Übersetzerinnen und Übersetzern zu würdigen. Mit dem Stipendium sollen sich die Preisträgerinnen und -träger einem Übersetzungsvorhaben widmen können.

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