München (epd). Der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx hat das Versagen der Kirchenleitung im Erzbistum gegenüber hilfesuchenden Sinti und Roma während der NS-Zeit eingeräumt. Dieses Unvermögen "ist und bleibt ein Auftrag, sich jeglichen Formen von Antiziganismus, Diskriminierung und Menschenhass entschieden entgegenzustellen", schrieb Marx zum Europäischen Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma am Freitag (2. August) an den Präsidenten des Zentralrats Deutscher Sinti und Rima, Romani Rose.
Der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Hans Freller, hatte am Donnerstag mehr Zivilcourage gegen Antiziganismus gefordert. Die steigende Zahl an Übergriffen, Bedrohungen und Diskriminierungen gegen Sinti und Roma seien "ein Warnschild", sagte Freller. Die Zahl der Übergriffe und Attacken habe sich von 2022 bis 2023 verdoppelt. Mit diesem Gedenktag werde an den "Porajmos", den Völkermord an den Sinti und Roma in der NS-Zeit, erinnert. Insgesamt töteten die Nazis bis zu 500.000 Sinti und Roma.
"Sinti und Roma haben Furchtbares erleiden müssen", sagte Freller. Der "Porajmos" werde - obwohl er ein brutaler Völkermord war - oft übersehen. Dabei wurden Hunderttausende Sinti und Roma verfolgt, deportiert und ermordet - auch in den beiden bayerischen Konzentrationslagern Dachau und Flossenbürg. Dieser Tag erinnere daher "nicht nur an ihr Leid und die Verluste, sondern auch an die Notwendigkeit, gegen Rassismus, Diskriminierung und Intoleranz in unserer Gesellschaft einzutreten", erläuterte Freller.
Marx schrieb an Rose weiter, dass der Gedenktag aber nicht nur an die Ermordung von vielen Tausend Sinti und Roma erinnere - sondern auch an deren "couragiertes Widerstandshandeln" gegen die Mordpläne der SS. Am 16. Mai 1944 hatten SS-Angehörige versucht, im KZ Auschwitz-Birkenau die Tausende Sinti und Roma in den Gaskammern zu ermorden - dies blieb wegen des erbitterten Widerstands der Sinti und Roma erfolglos. Am 2. August 1944 schließlich tötete die SS die verbliebenen 4.300 Sinti und Roma.
Der bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle teilte am Donnerstag mit, dass er als Vertreter der bayerischen Staatsregierung am Freitag an der Gedenkveranstaltung in Auschwitz anlässlich der Ermordung der dorthin deportierten Sinti und Roma teilnehmen wird. Das Gedenken in der Internationalen Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau wird vom Zentralrat der Sinti und Roma in Deutschland ausgerichtet, gemeinsam mit dem Antiziganismusbeauftragten der Bundesregierung und der Gedenkstätte.
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