Würzburg, München (epd). Nachvollziehbar, aber dennoch enttäuschend nennen Vertreter des Judentums das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Verbleib der judenfeindlichen Schmähplastik an der Wittenberger Stadtkirche. Dass diese erniedrigende und verletzende Darstellung weiterhin offen zu sehen sein wird, sei in Zeiten des Anstiegs eines bedrohlichen und zunehmend gewalttätigen Judenhasses mehr als bedenklich, sagte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, am Dienstag in München. Auch Zentralratspräsident Josef Schuster aus Würzburg hat sich eine deutlichere Positionierung des Bundesgerichtshofs gewünscht.

Der Zentralrat der Juden reagierte grundsätzlich zustimmend auf das Urteil. "Das Urteil des BGH, dass die Schmähplastik nicht entfernt werden muss, ist nachvollziehbar", sagte Schuster in Berlin. Er vermöge der Begründung des Bundesgerichtshofs aber insofern nicht zu folgen, als nach seiner Auffassung "weder die Bodenplatte noch der erläuternde Schrägaufsteller eine unzweideutige Verurteilung des judenfeindlichen Bildwerks beinhalten".

Der Bundesgerichtshof hatte zuvor die Klage gegen das vorinstanzliche Urteil des Oberlandesgerichtes Naumburg abgewiesen. Der Kläger, Mitglied einer jüdischen Gemeinde, hatte die Abnahme des Sandsteinreliefs aus dem 13. Jahrhundert an einer Kirche verlangt, weil er dadurch das Judentum und sich selbst diffamiert sieht. Laut Gericht hat sich die beklagte Kirche durch die Anbringung einer Bodenplatte und eines einordnenden Aufstellers erfolgreich vom Inhalt des Reliefs distanziert.

Nach der Entscheidung des BGH müsse es der Kirchengemeinde überlassen bleiben, wie sie den "Störungszustand" beseitigt, fügte Schuster hinzu. Daher sehe er das Urteil als "klaren Auftrag". Sowohl die Wittenberger Kirchengemeinde als auch die Kirchen insgesamt müssten eine klare und angemessene Lösung für den Umgang mit judenfeindlichen Plastiken finden. Schuster: "Die Diffamierung von Juden durch die Kirchen muss ein für alle Mal der Vergangenheit angehören."

Knobloch hatte sehr auf eine andere Entscheidung gehofft, sagte sie. Trotz der Distanzierung der Kirche bleibe die erniedrigende und verletzende Darstellung nun weiterhin offen zu sehen. Sie hoffe, dass das Urteil nicht das Ende der Diskussion bedeute und dieses Relief doch noch dorthin gebracht werde, wo es am besten aufgehoben sei: ins Museum.

Die Darstellungen abzuhängen und ins Museum zu tun, halte er für "kontraproduktiv, sagte Ludwig Spaenle, Antisemitismus-Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung nach dem Urteil im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk (BR). "Wenn man dann noch drei Euro Eintritt zahlt, um diese Abnormitäten zu bewundern". Er sehe in der Entscheidung den "bayerischen Weg" bestätigt. Anhand eines Falls in Regensburg sei eine Vorgehensweise auch mit der Israelitischen Kultusgemeinde entwickelt worden, "die wir auf Ebene eines Runden Tisches dann weiterentwickelt haben und die geht genau in diese Richtung", sagte Spaenle. Einer der Punkte der Strategie sei, mittels moderner Instrumente wie QR-Codes umfangreiche, zusätzliche Informationen über die Skulptur zur Verfügung zu stellen."

Der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, erklärte, judenfeindliche Schmähskulpturen gehörten "zu unserer Vergangenheit, die wir nicht ändern können". Umso wichtiger sei eine sinnvolle Einordnung: "Dies sah das Gericht im vorliegenden Fall von Wittenberg als gegeben an."

Klein kritisierte jedoch, dass das Wittenberger Hinweisschild neben dem umstrittenen Relief aus dem Mittelalter Wissen nicht nur um den christlichen Antijudaismus voraussetze, sondern auch um das Menschheitsverbrechen der Schoah. Dies könne nicht bei jedem Betrachter vorausgesetzt werden.

Das Relief aus dem Jahr 1290 zeigt in vier Metern Höhe eine Sau, an deren Zitzen zwei Menschen trinken, die Juden darstellen sollen. Ein Rabbiner blickt dem Tier unter den Schwanz und in den After. Im Judentum gilt ein Schwein als unrein. Die "Judensau" gehört deshalb nach Ansicht des Klägers, einem Mitglied der jüdischen Gemeinde, in ein Museum.