München (epd). Die Auswertung kirchlicher Missbrauchsstudien hat für die Strafverfolgung der unmittelbaren Täter laut einem neuen Bericht aus dem bayerischen Justizministerium nur eine "sehr begrenzte Bedeutung". Auch die Mitteilungen der Kirchen über Verdachtsfälle spiele nur eine untergeordnete Rolle, heißt es im zweiten Bericht von Justizminister Georg Eisenreich (CSU) zu strafrechtlichen Konsequenzen aus den katholischen Missbrauchsgutachten, der dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Einen ersten Bericht zum Thema hatte der Minister bereits im Juni vorgelegt.
Auch Mitteilungen der Kirchen über Verdachtsfälle spielten nur eine untergeordnete Rolle. Gründe für diese begrenzte Bedeutung seien im Wesentlichen, dass die Kirchen von einem Missbrauchsverständnis ausgingen, "das auch straflose Grenzüberschreitungen umfasst". Auch seien in vielen Fällen weit zurückliegende Vorgänge enthalten, sodass zahlreiche Beschuldigte bereits verstorben oder die Straftaten verjährt waren. Weiter seien viele der Vorgänge bereits vor der Erwähnung in den kirchlichen Gutachten justiziell behandelt worden, hieß es.
Die im Erhebungszeitraum der vergangenen zehn Jahre festgestellten 30 Verurteilungen in Bayern resultierten laut Eisenreich überwiegend aus Anzeigen der Geschädigten und von Dritten. Neun Verurteilungen resultierten aus "von Amts wegen eingeleiteten Ermittlungsverfahren, welche in acht Fällen Kinderpornografie-Vorwürfe zum Gegenstand hatten". Nur eine Verurteilung resultierte aus der Auswertung einer kirchlichen Missbrauchsstudie.
"Strafanzeigen bleiben daher für die Strafverfolgungsbehörden die wichtigste Erkenntnisquelle für die Verfolgung von Missbrauchsdelikten", betonte der Minister; dies gelte für den kirchlichen wie für den außerkirchlichen Bereich.
Die religionspolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, Gabriele Triebel, forderte die Staatsregierung auf, "den Opfern endlich umfassend beiseitezustehen". Noch immer gebe es keine unabhängige Ombudsstelle für Opfer sexualisierter Gewalt in Bayern, kritisierten die Landtags-Grünen, auf deren Antrag hin der Bericht entstand. Solch eine Anlaufstelle könne ihnen auch dabei helfen, mit Blick auf die nötigen Strafanzeigen Hilfe und Begleitung zu finden.