Nach einer Brustkrebsbehandlung hört für Betroffene der Kampf nicht auf. Denn für die Frauen gebe es nur fragmentierte Angebote, die sie mit und nach einer Krebsdiagnose lebenspraktisch unterstützen, beklagt die Nürnberger Ärztin Anke Pregler.

Insbesondere nach Abschluss der Therapie fehle oft eine ganzheitliche Betreuung der Patientinnen. Die Überlebenden - fachlich als "Cancer Survivors" bezeichnet - bekämen zwar oftmals eine fachlich optimale Versorgung, blieben mit anderen Problemen allerdings allein, stellt Pregler fest.

"Das deutsche Gesundheitssystem hat mit seinen medizinischen Fortschritten bei Früherkennung und Therapie von Brustkrebs nicht mitgehalten."

Pregler spricht über ihre eigene Erkrankung

Jahrelang in der onkologischen Sparte bei einem Pharmaunternehmen beschäftigt, weiß Pregler, wovon sie spricht. Sie selbst erkrankte 2013 an Brustkrebs und dachte sich damals: "Ich weiß alles über Brustkrebs und seine Behandlung." Mittlerweile hat sie ihre damalige Meinung revidiert: "Die Krankheit hat mich Demut gelehrt."

Denn manche menschliche Dimension des Alltags mit und nach Krebs sei in ihrer Arbeit nicht vorgekommen. Die könne allerdings im Alltag der Frauen einen hohen Stellenwert einnehmen. Die 54-Jährige denkt hier beispielsweise an die Übelkeit während einer Chemotherapie.

"Eigentlich reden wir angesichts des Krankheitsbildes über banale Nebenwirkungen", sagt die Ärztin. "Doch die sind für betroffene Frauen besonders schlimm."

Industrie lässt persönliches Umfeld außer Acht

In ihrer Forschungsarbeit in der Industrie ging es um Dinge wie Auswirkungen im Blutbild. Heute weiß sie: "Krebs ist eine Familiendiagnose", die immer auch das persönliche Umfeld betreffe. 

"Bei mir war plötzlich die Rezidivangst da", berichtet sie. Dabei geht es um die vom Umfeld oft nicht nachvollziehbare Angst von Krebs-Überlebenden vor einem Rückfall. Diese Angst vor einer erneuten Krebsdiagnose überkomme in unterschiedlichen Ausprägungen fast alle Überlebenden. Daher ist für Pregler klar:

"Die Ängste stehen uns zu, ohne dass wir einen Defekt haben oder Hypochonder sind."

Fehlende Betreuung nach der Erkrankung

Man sei nach einer Krebstherapie oftmals weder körperlich noch psychisch wieder die Alte, sagt die Ärztin. Ihr fehlten kompakte Informationen und Aufklärung, wie sich das Leben nach der Erkrankung verändern kann. Anders etwa als in den USA oder Kanada mit ihren Survivorship-Programmen gebe es in Deutschland keine umfassende Betreuung von Menschen nach dem Krebs.

Die landesweiten Krebsgesellschaften bieten Gesprächshilfe und sozialrechtliche Beratung an. Darüber hinaus gibt es Hilfe oder Beratung etwa von Psychoonkologen, Selbsthilfegruppen oder dem Heidelberger Krebsinformationsdienst. "Aber es fehlt die Navigationshilfe im Alltag, um die speziellen Unterstützungsangebote zu finden", sagt Pregler.

Anke Pregler  fordert eine Grundaufklärung für Überlebende

Die Ärztin zieht aus diesen Erfahrungen ihre persönliche Konsequenz. Sie beginnt, mit ihrem medizinischen und persönlichen Wissen andere "Survivors" als Beraterin und Coach von Nürnberg aus zu unterstützen und verlässt ihren Arbeitgeber.

In ihren Vorträgen bei Selbsthilfegruppen erfährt sie ein zustimmendes Raunen im Saal, wenn sie eine Grundaufklärung für Krebsüberlebende einfordert. "Ich wünschte, das hätte mir mal jemand gesagt" ist eine Reaktion, die ihr oft begegnet.

Informationen sollen für Betroffene leichter zugänglich gemacht werden

Die Nürnberger Ärztin will einerseits Betroffene begleiten, andererseits mehr Bewusstsein für das Thema "Cancer Survivorship" schaffen:

"Wir müssen in Medizin und Gesellschaft einfach mehr über das Leben mit und nach einer Krebserkrankung sprechen."

So könnten über eine gute medizinisch-fachliche Vernetzung hinaus die Informationen und Hilfen für Betroffene transparenter gemacht werden. Sonst blieben Überlebende mit ihren Sorgen allein und probierten es auf eigene Faust mit einer Internetrecherche.

"Dr. Google ist wenig hilfreich", warnt Pregler, wenn man eben nicht wisse, wo man suchen soll. Dann bekomme man oftmals veraltete Seiten oder unseriöse Anbieter angezeigt.

Deutsche Krebsgesellschaft bietet Unterstützung

"Langzeitüberlebende von Krebs haben viele Herausforderungen, die sowohl körperliche als auch psychische und soziale Aspekte betreffen", bestätigt Gabriele Brückner, Geschäftsführerin der Bayerischen Krebsgesellschaft. Aus ihrer Erfahrung heraus könne sie den Ansatz von Pregler nachvollziehen.

"Neben der allgegenwärtigen Angst vor einem Rückfall plagen Cancer Survivors Zukunftsängste, Probleme mit einem veränderten Selbst- und Körperbild sowie Sorgen um mögliche Langzeitfolgen der Therapie."

Die Deutsche Krebsgesellschaft mit ihren landesweiten Angeboten sei immer eine verlässliche Anlaufstelle. So führt beispielsweise die Bayerische Krebsgesellschaft 13 psychosoziale Krebsberatungsstellen sowie 26 Außensprechstunden.

Dort bieten erfahrene Psychoonkologen krebskranken Menschen und deren Angehörigen Unterstützung bei der Bewältigung von Ängsten an. Aber auch eine Beratung zu Langzeitfolgen oder zur sozialen und beruflichen Wiedereingliederung stehen auf der Agenda.

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