Zweieinhalb Monate nach der Bundestagswahl ist die neue Bundesregierung im Amt. 

Schon der Koalitionsvertrag zeigte in Sachen Kirchen und Glauben eine Akzentverschiebung der Ampel im Vergleich zur Großen Koalition. Doch wie sieht es mit den einzelnen Ministerinnen und Ministern aus? Wir haben uns die Mitglieder des neuen Bundeskabinetts angeschaut. Im vierten Teil geht es um den Landwirtschaftsminister Cem Özdemir und sein Verhältnis zu Kirche und Glaube

Özdemir ist kein praktizierender Muslim

Cem Özdemir ist der erste Minister auf Bundesebene, der Muslim ist. Allerdings hat der "anatolische Schwabe", wie er sich selbst nennt, schon mehrfach erklärt, dass er kein praktizierender Muslim sei. 

Özdemir wuchs im schwäbischen Bad Urach auf. Eine tief protestantische Gegend, was nicht ohne Einfluss auf den Politiker blieb: Seine Eltern wollten, dass er am evangelischen Religionsunterricht teilnimmt, muslimischer wurde nicht angeboten. "Da lernst du auch was Richtiges", habe seine Mutter gesagt, so Özdemir im Interview mit dem Evangelischen Rundfunkdienst Baden.

Dem Religionslehrer habe er "Löcher in den Bauch gefragt":

"Ich fand es äußerst spannend, sich mit den beiden Schöpfungsgeschichten aus der Bibel und den vier Evangelien zu beschäftigen."

Özdemir gehörte außerdem zu einer christlichen Jugendgruppe im Ort, der evangelische Pfarrer sei öfter zu Hause bei Familie Özdemir gewesen. 

Jesus und Mohammed sind Freunde

Cem Özdemir ist mit einer Katholikin verheiratet. Für die religiöse Erziehung der gemeinsamen Kinder setzen sie auf eine theologisch sehr frei interpretierte Ökumene:

"Wir stellen uns vor, dass Jesus und Mohammed Freunde sind und gemeinsam schauen, was die Menschen auf der Erde machen." 

Säkularer Muslim und scharfer Erdogan-Kritiker

Gemeinsam mit Anwältin Seyran Ates, Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad, Soziologin Necla Kelek und Psychologe Ahmad Mansour hat Cem Özdemir 2018 die "Initiative säkularer Islam" gegründet. Deren Ziel ist es, einem "zeitgemäßen Islamverständnis" Gehör zu verschaffen.

Özdemir ist ein scharfer Kritiker des islamischen Verbands Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V., türkisch abgekürzt DITIB und lehnt dessen Beteiligung am Islamunterricht in deutschen Schulen ab. Mit Blick darauf, dass der Verein der türkischen Regierung untersteht, sagte Özdemir im Podcast "Bosbach & Rach - Die Wochentester":

"Herr Erdogan hat in Schulen in NRW nix verloren."