Einmal im Monat dauert der Gottesdienst in der Neu-Ulmer Petruskirche etwas länger. Denn nach der Predigt stehen die Gottesdienstbesucher aus ihren Bänken auf und lassen sich ganz persönlich segnen – dabei werden sie mit ihrem Namen angesprochen, bekommen die Hand aufgelegt und ein kleines Blatt mit einem sorgfältig ausgesuchten Bibelwort und literarischem Zitat. Nach der Einzelsegnung kommt noch ein Gemeindelied und dann der Schlusssegen für alle.
Segen mit Namen, Handauflegung und Bibelwort
Diese Segnungsgottesdienste finden nicht, wie in vielen anderen Gemeinden, als Ausnahme statt, sondern gehören zum regelmäßigen gottesdienstlichen Angebot der Petruskirche, wie Pfarrer Johannes Knöller dem Sonntagsblatt sagte. Damit greife die Petruskirche die urbiblische Bedeutung auf, die ein zugesprochener Segen für Menschen haben kann – sei es in schwierigen Situationen oder einfach als Bestätigung im Alltag.
Die eher kopf- und wortlastige evangelische Kirche tut sich jedoch mit rituellen Handlungen wie Segnung oder Salbung etwas schwer. Segnungsgottesdienste gibt es traditionell zwar an Erntedank, meist aber als Sonderformat oder für bestimmte Gruppen, wie etwa für Ehepaare am Valentinstag. Deshalb sieht Pfarrer Knöller auch einen kirchenpolitischen Aspekt: Weil ein persönlicher Segen so wichtig für jeden einzelnen Menschen ist, sollte diese Praxis nicht den charismatischen Gruppierungen vorbehalten sein, sondern zum regelmäßigen Angebot der evangelischen Kirche gehören.
Kein Zwang, aber viel Zuspruch
Der Pfarrer legt allerdings großen Wert darauf, dass die Segenshandlung nicht als zwanghaft empfunden wird, sondern ohne jegliche Erwartungshaltung von Pfarrer oder Gemeinde ganz der individuellen Entscheidung vorbehalten bleibt. Falls ausdrücklich gewünscht, kann sich an die einfache Segenshandlung aber auch ein tieferes Seelsorgegespräch anschließen, für das dann ein gesonderter Termin vereinbart wird.
Die regelmäßigen Segnungsgottesdienste wertet Pfarrer Knöller als eine der ersten positiven Ergebnisse der gemeinsamen Pfarrei, zu der sich die innerstädtische Petruskirche und die Erlöserkirche im Neu-Ulmer Ortsteil Offenhausen nach einem langen Prozess zusammengeschlossen haben. Denn durch diese Kooperation können die Pfarrerinnen und Pfarrer in beiden Kirchen Gottesdienste halten. Dafür hat die neue Pfarrei auch ein eigenes Gottesdienstkonzept mit unterschiedlichen Formaten entwickelt, wie Knöller erläutert. Dazu gehört, dass in einer der beiden Kirchen der gewohnte agendarische Gottesdienst läuft, in der anderen hingegen Sonderformen – wie etwa die Segnungsgottesdienste.
Laien segnen mit Sorgfalt und Schulung
Getreu dem evangelischen Grundprinzip des "Priestertums aller Getauften" spenden in der Petruskirche neben Pfarrer oder Pfarrerin auch ehrenamtliche Laien den Segen. Dafür hat sich ein Team zusammengefunden, das für diese Aufgabe auch eigens geschult wurde, damit die Segenshandlung einheitlich vollzogen wird, theologisch korrekt und vor allem mit Behutsamkeit und Fingerspitzengefühl.
Diese Ausrichtung trägt sicherlich dazu bei, dass die Segnungsgottesdienste auf eine gute Resonanz stoßen: Die meisten Gottesdienstbesucher stellen sich in eine der Reihen, um den Segen zu empfangen. Wer den Segen nicht möchte, bleibt einfach sitzen, fühlt sich dabei aber nicht unwohl oder als "Christ zweiter Klasse", wie eine ältere Dame berichtet, die regelmäßig zum Gottesdienst kommt, die Segnung jedoch als zu intim empfindet. Nicht zuletzt diese positiven Erfahrungen stimmen Pfarrer Knöller sehr zuversichtlich, dass die Segnungsgottesdienste auch nach der langen Projektphase von eineinhalb Jahren zum festen Gottesdienst-Angebot der Neu-Ulmer Pfarrei gehören werden.
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