Ist der Sonntagsgottesdienst noch zeitgemäß? Oder sollte dieses Ritual in einer Gesellschaft, in der sowieso jede*r seine eigenen Zeitfenster für alle möglichen Aktivitäten hat, abgeschafft werden?
Letzteres, also die Abschaffung der Sonntagsgottesdienste, forderte kürzlich die evangelische Pfarrerin Hanna Jacobs. In der "Zeit"-Beilage "Christ Welt" erklärte sie, der sonntägliche Gottesdienst habe an Zulauf und Strahlkraft verloren. Für die wenigen, die noch kämen, lohne es sich nicht, eine Volkskirche zu inszenieren. Stattdessen fordert sie, einen Schlussstrich zu ziehen.
Henkel: Sonntagsgottesdienst wiederbeleben statt ihn sterben zu lassen
Der Münchner Pfarrer Steve Kennedy Henkel widerspricht dem in einem Instagram-Post ganz entschieden. Anstatt den Sonntagsgottesdienst sterben zu lassen, solle man ihn wiederbeleben, fordert Henkel.
"Der Sonntagsgottesdienst hat einige Krankheiten", räumt er ein. Er kommt jedoch zu dem Schluss: "Anstatt ihn sterben zu lassen, sollte man ihn wieder fit machen."
Henkel vergleicht den Sonntagsgottesdienst mit einem Herzpatienten, der zu viel Fett, Alkohol und Salz konsumiert und zu wenig Sport macht. Dieses Bild baut er im Anschluss weiter aus.
1. Fett
Zunächst einmal seien viele Gemeinden übergewichtig – nein, kein Fatshaming. Henkel meint damit eine Überlastung der Pfarrpersonen, die sich neben Verkündigung und Seelsorge eben auch um einen Haufen Verwaltungsaufgaben kümmern müssen. Davon sollten sie aus seiner Sicht entlastet werden, um sich um ihren eigentlichen Kernbereich besser kümmern zu können.
2. Alkohol
Viele Gemeinden seien betrunken von ihrem eigenen Angebot, findet Henkel. Er attestiert eine weitverbreitete Selbstzufriedenheit, die verhindere, dass man das Angebot der Sonntagsgottesdienste öffne und für größere Zielgruppen interessant mache. Konkret nennt er Gemeinden, die davon ausgehen, ihre Gottesdienste mit "hochkulturellem Bach-Programm" oder auch mit "80er Jahre Gitarrenmusik" seien für alle da. Stattdessen fordert er mehr kulturelle Diversität.
3. Salz
Versalzen sind laut Henkel viele Predigten und Liturgien, die statt spirituellen Einsichten politische Allgemeinplätze oder die Flucht in "Gott hat alle lieb"-Floskeln böten. In seiner lebensfernen Banalität nähme das die Hörer*innen nicht ernst.
"Und nein, ein Hilde-Domin-Gedicht ist nicht immer die Rettung einer ansonsten ideenlosen Predigt."
Liturgie und Predigt müssten am "Puls der Lebenswirklichkeit" sein. Das sei schwierig, aber dafür seien Pfarrer*innen nun mal da.
Die Heilkur
Man habe Menschen auf ihrer spirituellen Suche verhungern lassen, bilanziert Henkel. Nun suchten diese eben ihr Heil in Yogastudios, Sternzeichen, Tarotkarten oder Selbsthilfe-Büchern.
Die Antwort darauf sieht Henkel nicht in einem Rückzug ins Beliebige, sondern in einer Betonung der Wichtigkeit von Sonntagsgottesdiensten. Die Bibel berichte, wie die ersten Christ*innen am ersten Tag der Woche (Sonntag) zusammengekommen seien, um ihre Gebrochenheit und Sehnsucht zu teilen, und Hoffnung und Heil zu bekommen.
Sein Appell:
"Lasst uns in einer fragmentierten Gesellschaft daran festhalten, zusammen am ersten Tag der Woche eine Auferstehung zu feiern. Die von Jesus – und deine und meine."
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