Am heutigen Dienstag, den 10. Dezember 2024, ist der Auswertungsband zur neuen, sechsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) erschienen. Auf 700 Seiten diskutieren 35 Autor*innen in 36 Kapiteln detailliert die Befunde der für die Gesamtbevölkerung Deutschlands repräsentativen Studie, zu der vor einem Jahr bereits eine erste überblicksartige Darstellung erschien.

Seit 1972 liefert die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung – kurz KMU – alle zehn Jahre spannende Erkenntnisse rund um die Themen Kirchenmitgliedschaft und Religion. 2023 erschien die sechste Ausgabe der KMU – mit einigen neuen Schwerpunkten, zahlreichen schonungslosen Analysen und noch mehr wertvollen Erkenntnissen für die Zukunft.

Was sagt die sechste KMU nun also über das Verhältnis der Kirche zu ihren Mitgliedern aus? Was wünschen sich die Menschen von den Kirchen? Wir haben euch die wichtigsten Erkenntnisse der Autor*innen zusammengefasst.

1. Was wünschen sich die Menschen von der Kirche?

Bei den Erwartungen der Menschen an die Kirchen gibt es eine kleine Überraschung. Oft heißt es, die Kirche solle sich auf ihr Kerngeschäft, den Glauben, konzentrieren. Das würde sich eine Mehrheit wünschen.

Nach Einschätzung der Autor*innen ist allerdings "die Interpretation möglich", dass die Kirchenmitglieder nicht nur mehrheitlich eine Beschränkung der Kirchen auf religiöse Fragen ablehnen. Nein, sie wollen sogar den Schwerpunkt kirchlicher Aktivitäten nicht im Feld der Religion, sondern in anderen gesellschaftlichen Handlungsfeldern gesetzt sehen.

Mit anderen Worten: Die Erwartungen an die Kirche als gesellschaftliche Akteurin sind hoch. Dies gilt nicht nur für Mitglieder, sondern auch für Konfessionslose. Das rückt die Leistungen der Diakonie noch einmal in ein ganz anderes Licht.  

2. Weniger Kirchenaustritte ohne Kirchensteuer?

Die Annahme, eine geringere oder gar keine Kirchensteuer würde zu weniger Kirchenaustritten führen, bestätigt sich laut den Autor*innen nicht. Eine Abschaffung der Kirchensteuer dürfte nicht zu einem signifikanten Rückgang der Kirchenaustritte führen, lautet die Schlussfolgerung aus der KMU. Die Befunde machten deutlich, dass sich die Kritik an der Finanzierung der evangelischen und katholischen Kirche nicht an das bestehende Kirchensteuersystem an sich richteten.

Allerdings gibt es dennoch Luft nach oben: Lediglich jede*r fünfte Deutsche hält die Kirchensteuer für transparent und nachvollziehbar.

3. Warum treten Menschen in die Kirche ein?

Sind die jungen Leute für die Kirchen verloren? Nein, meinen die Autor*innen: Es zeige sich kein Trend nachlassender religiöser Sozialisation bei jüngeren Generationen. Sowohl Familie als auch kirchliche Bildungsangebote spielten eine wichtige Rolle bei der Nachwuchsgewinnung. 

Die Taufbereitschaft liege seit Jahrzehnten stabil bei 80 Prozent, auch bei vielen, für die Religion kein bedeutsames Thema sei.Die Zahl kirchlicher Trauungen nehme hingegen spürbar ab, während die Anzahl zivil geschlossener Ehen stabil bleibe.

Musik scheint den Menschen auch wichtig zu sein. So gaben 55 Prozent der Befragten an, dass sie Kirchenmusik als inspirierend empfänden. Selbst bei den Konfessionslosen geben die 43 Prozent an. 

4. Welche Religion nehmen die an, die aus der Kirche austreten?

Kurz gesagt: Gar keine. Kirchenaustritte führten fast ausschließlich in die Konfessionslosigkeit, analysieren die Autor*innen. Beitritte in andere Religionsgemeinschaften gebe es praktisch keine. Nur die Kategorie der Konfessionslosen wachse – "und zwar dramatisch".

Zudem fände eine große Durchmischung statt. Menschen zögen durch Migration in neue Gebiete, wodurch alte, regionale Verbindungen und Traditionen aufbrächen. Gleichzeitig gäbe es starke Prozesse der Entkirchlichung.

Es sei jedoch missverständlich, diese Veränderungen als "Individualisierung" oder "Pluralisierung" zu bezeichnen. Denn das klänge so, als ob Menschen ihre religiöse Zugehörigkeit durch persönliche Entscheidungen und Wahlmöglichkeiten frei gestalten könnten. Doch genau das geschehe nicht.

5. Wie religiös sind die Kirchenmitglieder?

Wieder kurz gesagt: Nicht sehr. Eine hohe Religiosität schreiben sich demnach nur 13 Prozent der Bevölkerung zu. Dabei handele es sich weit überwiegend um Kirchenmitglieder – doch auch unter den Kirchenmitgliedern seien Nicht-Religiöse die häufigste Kategorie.

Die Vorstellung, dass Mitglieder einer bestimmten Religionsgemeinschaft exklusiv dem von dieser Religionsgemeinschaft propagierten Glauben anhängen, sei "aus einer fernen Vergangenheit".

Es gäbe weit mehr, die Kirchenmitglied seien, ohne zu glauben als umgekehrt. Zudem sehe man keinen Hinweis darauf, dass ein Schwund kirchennaher Religiosität durch eine Zunahme kirchenferner Religiosität kompensiert würde. Auch letztere nehme in den letzten beiden Jahrzehnten ab.

Den vollständigen Auswertungsband findet ihr hier.

Kommentare

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Ingrid Müller am So, 15.12.2024 - 08:37 Link

Viele sehen die Diakonie als wichtig an.
Hier ist die Kirche Arbeitgeber,wie auch in Einrichtungen ohne kirchliche Traegerschaft.
Alles muss bezahlt werden.
Diakonie ohne staatliche Unterstuetzung gibt es das?
Alles in der Diakonie wird von der Kirchensteuer bezahlt?
Macht man solche Umfragen um sagen zu koennen ,Kirche wird noch gebraucht,ist noch relevant?