Der junge Djamil lebt wohlbehütet im Süden des Iran, nahe der irakischen Grenze, in einem Dorf. Seine Mutter starb früh, sein Vater ist wohlhabend, besitzt Palmenhaine und Vieh. Weil er bereits einmal nach Mekka gepilgert war, nennt er sich Hajji, ein Titel, der mit besonderem Prestige verbunden ist. Djamil besucht die Schule und soll irgendwann in die Fußstapfen seines Vaters treten, Lokalpolitik betreiben und beispielsweise Kantonsvorsteher werden.

Der junge Djamil ist anders

Doch der Junge ist anders, er spielt lieber mit seinen Schwestern und lernt schließlich den jungen Nadji kennen. Der junge Bauer schneidet Gras, um es später als Heu zu verkaufen, Lesen und Schreiben kann er nicht. Trotz ihrer ungleichen Herkunft freunden sich die beiden an.

Djamils Vater ist wenig begeistert und verbieten den Kontakt. Doch in dem kleinen Dorf spricht sich die Freundschaft schnell herum. Djamil und Nadji werden beobachtet, verspottet und denunziert. Aus Eifersucht und Hass werden Morddrohungen. Um "die Ehre der Familie zu retten," wird der Schwager Djamils auf den jungen Bauern angesetzt, soll ihn ermorden. Doch es kommt anders.

Freier, aber auf sich allein gestellt

Nach einem Handgemenge fliehen die beiden Jungen, zunächst per Anhalter in die nächstgrößere Stadt. Dort sind sie freier, unabhängiger, aber auf sich allein gestellt. Noch herrscht der Schah Mohammad Reza Pahlavi, noch gibt es das Rotlichtviertel, Kinos und Schwimmbäder. Doch es brodelt im Iran, die Sicherheitskräfte des Schahs sind korrupt, islamische Gruppen um Ajatollah Chomeini schaffen ihre eigene Ordnung, säkulare, sozialistische Gruppen fordern die Monarchie heraus.

Auf ihrer Flucht mit Ziel Europa machen Djamil und Nadji zahlreiche Begegnungen, bekommen Unterstützung durch den Christen Georges, der sie in seiner Schweinezucht beschäftigt oder dem älteren Amrollah Khan, der Nadji Geigenunterricht gibt. Sie lernen Souren kennen, der eine kommunistische Druckerei leitet, und von der Revolution träumt. So ist der Roman auch ein Panorama über religiöse Minderheiten wie Christen und Bahais, über die Situation von Frauen, Kindern, Prostituierten und die Unterdrückung Homosexueller.

Flucht in die Vereinigten Arabischen Emirate

Allmählich wird es dann auch in der Stadt brenzlig und die beiden Jungen fliehen mit der Hilfe von Schleppern in die Vereinigten Arabischen Emirate, wo sie sich erst einmal auf Wüstenbaustellen verdingen müssen, und doch auf Europa hoffen. Ein Streit entzweit die jungen Männer, die Wege trennen sich für eine kurze Zeit. Djamil wird bedrängt, Nadji umschwärmt, auch weil er Geige spielen kann. Djamil folgt der Einladung wohlhabender Geschäftsleute, die wilde Parties mit "Lustknaben" feiern, gerät jedoch in den Hinterhalt einer eifersüchtigen Ehefrau und wird mit Säure attackiert. Erst im Krankenhaus treffen Nadji und er wieder zusammen, fliehen, werden festgenommen und wieder in den Iran zurückgeschickt.

Dort ist Ajatollah Chomeini mittlerweile aus dem Exil zurückgekehrt, die islamische Revolution vollzogen. Die Kinos brennen, das Rotlichtviertel ist zerstört, die einstigen Freunde verschleiern sich, verstecken sich oder sind tot. Der Irak beginnt das Nachbarland zu bombardieren, nicht nur militärische Einrichtungen, sondern auch Schulen. In den Wirren des Krieges landen Djamil und Nadji schließlich im Gefängnis in der Nähe ihres Heimatdorfes.

Verbotene und gefährliche Liebe

Ghazi Rabihavi erzählt die Odyssey der beiden Jungen aus Djamils Perspektive. Der Roman beginnt damit, dass Djamil die Feder in die Hand nimmt, um den gesamten dramatischen Weg von ihrer ersten Begegnung bis zu ihrem letzten Tag noch einmal zu durchleben. Dabei ist er von einer Schuld geprägt, von einem Gefühl, seinen Freund in eine verbotene und gefährliche Liebe hineingezogen zu haben.

Mit "Söhne der Liebe" zeichnet Ghazi Rabihavi ein umfassendes Panorama vom Iran in den Jahren kurz vor und unmittelbar nach der Revolution von 1979. Der Autor beleuchtet damit einen Wendepunkt in der Geschichte des Landes, der uns im Westen häufig nicht geläufig ist und doch die heutigen Situation verständlicher macht.

Rabihavi hat diese turbulente Zeit in der iranischen Geschichte selbst erlebt. Er wurde 1956 geboren. Mit 22 Jahren zog er von Abadan im Süden des Landes nach Teheran. Für seine Texte wurde er in Iran mehrfach inhaftiert und 1994 mit einem Publikationsverbot belegt. Seit 1995 lebt er in London. Er veröffentliche u.a. Kurzgeschichten, Drehbücher und Theaterstücke sowie Romane. Sein Roman ist anspruchsvoll, aktuell und sehr lesenswert. Ein absoluter Geheimtipp, der nicht geheim bleiben sollte!

 

"Söhne der Liebe" von Ghazi Rabihavi, Roman, 500 Seiten, Sujetverlag, 26,80 Euro.

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