Ein Weihnachtsmann in Badehose und Sonnenbrille, der statt auf einem Schlitten auf einem Surfbrett zu den Kindern kommt – so stellt man sich Weihnachten auf der Südhalbkugel gerne vor. Dieses Bild stammt ursprünglich aus Australien und wird oft bemüht, um die Unterschiede zwischen dem Weihnachtsfest im sommerlichen Süden und den winterlichen Traditionen im Norden zu verdeutlichen.

Während in Deutschland die Tage kürzer werden und die Weihnachtszeit von Kälte, Kerzenschein und Glühwein geprägt ist, herrschen südlich des Äquators Temperaturen, die eher zum Schwitzen einladen. Kaum vorstellbar, wie anders sich Weihnachten in dieser Umgebung anfühlen muss und welche Traditionen sich aus der warmen Jahreszeit entwickelt haben.

Doch nicht nur klimatische Unterschiede, auch kulturelle Vielfalt ist zu beobachten: Auf der Südhalbkugel gibt es eine Fülle von einzigartigen Arten, das Fest der Geburt Christi zu feiern – weit entfernt vom typisch westlichen Weihnachtsverständnis.

Tansania: Gemeinschaft und Glaube

 Weihnachten ist in Tansania vor allem ein religiöses und gemeinschaftliches Fest, das sich durch eine starke Betonung des Glaubens auszeichnet. Im Mittelpunkt stehen die Gottesdienste, die oft weit über die üblichen Sonntagsgottesdienste hinausgehen und nicht selten zwei bis drei Stunden dauern. Diese Länge ist nicht einer starren Liturgie geschuldet, sondern der besonderen Atmosphäre: Musik, Gesang und Tanz spielen eine zentrale Rolle und machen die Feiern zu einem lebendigen und auch persönlichen Ausdruck des Glaubens. Viele Familien laden den Pfarrer nach dem Gottesdienst auch zu sich nach Hause ein, um die Familie besonders zu segnen.

"Das Wichtigste an Weihnachten ist, dass wir Jesus Christus feiern, das Licht in einer Welt voller Dunkelheit", erklärt Dr. Elizabeth Silayo, Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania (ELCT). Silayo, die seit ihrer Promotion in Deutschland auch für die Evangelische Kirche im Rheinland und die Vereinte Evangelische Mission tätig ist, beschreibt das Weihnachtsfest in ihrer Heimat als interkulturell, lebendig, musikalisch und bunt.

Letzteres spiegelt sich vor allem in der festlichen Gestaltung und Vorbereitung wider. Statt der traditionellen Nadelbäume werden einheimische Bäume festlich geschmückt. Die Häuser werden frisch gestrichen und erstrahlen in neuem Glanz, neue Kleider und kunstvolle Frisuren gehören für viele Menschen zur Weihnachtszeit.

"In Tansania gibt es ein anderes Verständnis von Familie. Man feiert mit allen, egal welcher Religion sie angehören."

Diese Offenheit zeigt sich auch in der Praxis: So kommt es beispielsweise vor, dass ein Muslim während der Feierlichkeiten ein Gebet spricht. Die kulturelle Vielfalt des Landes spiegelt sich aber nicht nur in der Zusammensetzung der Feiernden wider, sondern auch in den kulinarischen Genüssen. Neben dem typisch tansanischen Festtagsgericht Pilau, einem gewürzten Reisgericht mit Rindfleisch orientalischen Ursprungs, gibt es eine große Auswahl an Gerichten aus den verschiedenen ethnischen Gruppen des Landes, die das Festessen zu einem wahren Genuss machen.

Die Feiertage sind auch von viel Bewegung und Begegnung geprägt. Es ist üblich, Freunde, Nachbarn und Verwandte zu besuchen, so dass man selten an einem Ort bleibt. Oft wird getanzt - nicht nur zu Weihnachtsliedern, sondern auch zu moderner Popmusik. Denn, wie Silayo betont:

"Ohne Musik keine Freude."

Musik und Tanz sind elementare Bestandteile der tansanischen Weihnacht und schaffen eine Atmosphäre der Lebensfreude und Gemeinschaft.

Chile: Sonnenliege und Kommerz

Eine ganz andere Weihnachtsatmosphäre beschreibt Clive Maund aus seiner Wahlheimat Chile. Vor rund 20 Jahren verließ er Deutschland und ließ sich in Pucon im Süden des Landes nieder. Obwohl Chile stark römisch-katholisch geprägt ist und Weihnachten einen hohen Stellenwert hat, empfindet Maund das Fest als ungewohnt: "Im Grunde kann man sich in den Garten setzen, auf einem Liegestuhl entspannen und Weihnachten einfach ignorieren", sagt er. Die Traditionen ähnelten zwar denen des globalen Nordens, wirkten aber in der sommerlichen Umgebung oft unpassend und wenig relevant.

Wie in Deutschland wird vor allem der Heilige Abend, "Nochebuena" genannt, gefeiert. Er beginnt mit einem großen Familienessen. Zu den beliebtesten Gerichten gehört "Pan de Pascua", ein würziges Früchtebrot, das auf keiner Festtafel fehlen darf. Ebenso typisch ist das "Asado", das chilenische Barbecue, bei dem Fleisch und andere Köstlichkeiten auf dem Grill zubereitet werden. Dazu servieren die Gastgeber kühle Getränke, darunter die "Cola de Mono", ein Cocktail aus Milch, Kaffee und Pisco, der besonders in der Weihnachtszeit gerne getrunken wird.

Die Bescherung findet traditionell um Mitternacht statt. Gespannt warten die Kinder auf den "Viejito Pascuero", den chilenischen Weihnachtsmann. Trotz der sommerlichen Temperaturen schmücken viele Familien ihre Häuser mit blinkenden Lichtern, Plastikweihnachtsbäumen und manchmal sogar mit Kunstschnee. Maund findet diese Gegensätze merkwürdig:

"Während die Menschen in den nördlichen Ländern bei Schnee und Regen um den Weihnachtsbaum sitzen, entspannen sich die Chilenen am Strand oder in Parks - absurd".

Maund erzählt weiter von den Vorteilen eines chilenischen Weihnachtsfestes: "Man muss nicht in geschlossenen Räumen sitzen und die nervenden Verwandten ertragen", scherzt er. "Man kann einfach in den Garten gehen, sich in den Liegestuhl setzen oder einen Spaziergang machen."

Abgesehen von den individuellen Empfindungen bleibt Weihnachten in Chile oft eine Mischung aus Anpassung an die nordische Tradition und starker Kommerzialisierung. Maund bemerkt:

"Man feiert Weihnachten, weil es Tradition ist und um sich dem anzupassen, was im Norden passiert. Aber es wirkt oft oberflächlich und deplatziert."

Trotz der ungewohnten sommerlichen Kulisse und Maunds persönlicher Distanz zum Fest wird Weihnachten in Chile mit großer Hingabe gefeiert. Ein besonderes Beispiel ist der Brauch, den Heiligen Abend draußen zu verbringen. Da es lange hell bleibt und die Abende angenehm warm sind, versammelt man sich nach der Bescherung draußen auf der Straße, um mit den Nachbarn zu feiern.

Ein Fest, das Grenzen überwindet

Weihnachten auf der Südhalbkugel ist ein Fest, das sich durch eine faszinierende Mischung aus traditionellen Bräuchen und klimatischen Besonderheiten auszeichnet. Die sommerlichen Einflüsse, wie das Feiern unter freiem Himmel treffen auf die westlichen Einflüsse, zum Beispiel auf den Tannenbaum. Doch egal ob mit Kerzenschein bei sich zu Hause in Deutschland, tanzend bei den Nachbarn in Tansania oder gemütlich auf dem Liegestuhl in Chile, es ist ein Tag der Freude.

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