Gerhard Richter war der Einzige, der sich am Anfang für Bruce Nauman interessierte. "Zu Beginn kam kaum jemand zu den Ausstellungseröffnungen", erinnerte sich Nauman 2006 an seine ersten europäischen Einzelausstellungen in der Düsseldorfer Galerie Konrad Fischer Ende der 60er Jahre. "Aber Gerhard Richter kam immer." Mittlerweile gilt der US-Amerikaner als einer der bedeutendsten Gegenwartskünstler. Im Ranking des "Kunstkompass", das im Magazin "Capital" erscheint, steht er seit Jahren nach Gerhard Richter auf Platz zwei.

Nauman, geboren 1941 in Fort Wayne im US-Bundesstaat Indiana, wurde allein in den vergangenen drei Jahren von mehreren international bedeutenden Museen gewürdigt, etwa dem New Yorker Museum of Modern Art, der Tate Modern in London oder dem Amsterdamer Stedelijk Museum. Fünfmal nahm er an der documenta in Kassel teil.

Video- und Performance Künstler Bruce Nauman

Naumans Werk ist außergewöhnlich vielfältig. Er gilt als ein Pionier der Video- und Performancekunst, ist Bildhauer und Fotokünstler. Er schuf Wandobjekte aus bunten Neonröhren und nutzt Sprache und Buchstaben als Material. Seine Arbeiten irritieren und schockieren oft: Schreiende Clowns, aufgehängte Tierkadaver-Plastiken oder kopulierende Neonmännchen.

Daneben erschafft Nauman Installationen, die sein Publikum auffordern, sich unbequemen Erfahrungen auszusetzen: Da locken flimmernde Fernsehmonitore in einen schmalen Korridor. Begehbare Käfigkonstruktionen vermitteln das Gefühl des Gefangenseins. "Er bietet dem Publikum nicht nur etwas zum Anschauen, sondern er macht auch etwas mit dem Publikum", stellt der mit Nauman befreundete New Yorker Künstler und Kunstkritiker Peter Plagens in einem Essay für die Tate Modern im vergangenen Jahr fest.

Nauman meidet die Öffentlichkeit 

"Ich wünsche mir von meiner Kunst etwas Direktes und Befremdliches", sagte der öffentlichkeitsscheue Künstler 2004 der Wochenzeitung "Die Zeit" in einem seiner seltenen Interviews. In vielen seiner Videos spiele "die Unfähigkeit sich zu entwickeln, sich zu verändern, dieses Gefühl, sich selbst nicht entkommen zu können" eine Rolle.

Er studierte zunächst Mathematik, 1966 schloss er sein Malerei-Studium an der University of California ab. Während des Studiums habe er geglaubt, Kunst sei etwas, was man erlernen und dann einfach ausüben könne, erklärte Nauman seinem Freund Plagens einmal. Später habe er aber gemerkt, dass es so nicht funktioniere.

Wer bin ich ? Für Nauman eine entscheidende Frage 

Nauman beschäftigte sich mit dem Autor Samuel Beckett. Ihn interessiert der Existentialismus, wonach der Mensch sich selbst nur versteht, indem er sich erlebt. "An diesem Punkt wurde Kunst eher eine Aktivität und weniger ein Produkt", erinnert sich Bruce Nauman, als er 2006 anlässlich der Verleihung des Kunstpreises der Stadt Düsseldorf in Deutschland war. Er begann, Body Art zu schaffen. Vor laufender Kamera bemalte er seinen nackten Oberkörper mit farbiger Schminke oder vollführte einen "Beckett-Walk", bei dem er die Beine abwechselnd rechtwinklig in der Luft schweben ließ.

"Es geht bei ihm immer um die Frage: Wer sind wir?", erklärte Kathy Halbreich, Kuratorin und Nauman-Kennerin am New Yorker Museum of Modern Art auf einer Veranstaltung anlässlich der Nauman-Retrospektive im MoMA 2018. Nauman untersucht das Erleben von Zeit und Raum. Für "Mapping the Studio" filmte er 2001 sein Atelier bei Nacht. Der Künstler ist körperlich abwesend. Auf Ereignisse wie eine vorbeihuschende Maus oder Katze muss der Betrachter lange warten.

Inspiration durch Philosophen 

In seinem Video "Contrapposto Studies" (2016) löst sich der Künstler gleichsam digital auf, indem er seinen gealterten, gehenden Körper quer in Abschnitte teilt, die sich zeitversetzt bewegen. Die Arbeit nimmt das Thema des Videos "Walk with Contrapposto" (1968) wieder auf, wo er als junger Mann zu sehen ist. Dabei geht er durch einen engen Gang und nimmt dabei immer wieder die Haltung des Kontraposts an. Das ist eine in der antiken Bildhauerei verwendete Pose mit einem Stand- und einem leicht angewinkelten Spielbein.

Als eine Inspiration für sein Schaffen nennt er auch den Philosophen Ludwig Wittgenstein (1889 bis 1951), der die Eindeutigkeit von Sprache hinterfragte. Nauman macht zum Beispiel Anagramme in bunten Neoninstallationen sichtbar. Spiegelverkehrt ordnet er etwa die in rosafarbenen und gelben Neon-Buchstaben geschriebenen Wörter "Violins, Violence, Silence" (Violinen, Gewalt, Stille) an.

Nauman lebte zurückgezogen in New Mexico 

So wie Nauman in seinen Arbeiten Eindeutigkeit verschwinden lässt, zog sich der Vater von zwei Kindern sich auch selbst zurück. Ende der 70er Jahre kehrte er der Kunstszene Kaliforniens den Rücken und lebte mit seiner zweiten Frau Susan Rothenberg abgeschieden in New Mexico, wo er neben seiner künstlerischen Tätigkeit Pferde züchtete. Auch seine Auszeichnungen - darunter der Goldene Löwe und der Preis Bester Pavillon auf den Biennalen 1999 und 2009 in Venedig - nahm er nicht immer persönlich entgegen.

Doch als er 2006 mit dem Kunstpreis der Stadt Düsseldorf ausgezeichnet wurde, reiste er persönlich an. "Düsseldorf war wichtig", erklärte er damals, in Erinnerung an seine ersten Ausstellungen in der Galerie Konrad Fischer.