Diese Traueranzeige hat der württembergische Pfarrer Heiko Bräuning im Jahr 2012 entworfen:
Heiko Bräuning
* 07. 11. 1969, +16. 04. 2016
Plötzlich und unerwartet wurde vorgestern
unser geliebter Ehemann, Papa, Sohn, Bruder
und Freund aus dem Leben gerissen
Doch das Ganze war nur als Experiment, als Gedankenspiel gedacht. Der evangelische Pfarrer setzte sich das fiktive Sterbedatum, um zu erfahren, wie es sich angesichts des bevorstehenden Todes lebt. Seine Erlebnisse und Gedanken aus diesen vier Jahren hat er in einem Buch zusammengefasst, das Mitte des Jahres erscheint.
In Kirchen hört man das Gebet aus Psalm 90, Vers 12 häufiger: »Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, damit wir klug werden.« Doch wie soll man das bedenken, wenn es einen jeden Tag treffen kann, andererseits statistisch das Lebensende noch Jahrzehnte entfernt liegt? Genau deshalb ist Bräuning auf die Idee eines vier Jahre entfernten Todestages gekommen.
Kaum steht der Termin im Kalender, verändert sich vieles. Warum soll er noch so viele Überstunden im Büro machen, anstatt mit seinem Sohn auf den Fußballplatz zu gehen, fragt er sich. Warum soll er mit seiner Ehefrau im Clinch liegen, wenn demnächst ohnehin alles vorbei ist? Warum soll er in den letzten Monaten seines Lebens noch in Dinge investieren, die ihm weder Spaß machen noch sein Interesse finden? Zeit wird auf einmal sehr kostbar.
»In vier Jahren bist du tot«
Ihm gehe es »nicht um eine perfekte Sterbevorbereitung, sondern um eine gute Lebenseinstellung«, schreibt Bräuning. Für den verheirateten Vater von vier Kindern hat das Experiment weitreichende Konsequenzen. Der 47-Jährige erkennt, dass er als Gemeindepfarrer – derzeit auf einer 50-Prozent-Stelle in Aulendorf bei Ravensburg - nicht am richtigen Platz ist. Deshalb wird er zur Jahresmitte aus dem landeskirchlichen Dienst aussteigen.
Gewachsen ist seine Leidenschaft für den TV-Gottesdienst »Stunde des Höchsten«, den er vor acht Jahren ins Leben gerufen hat. Die Sendungen werden auf Bibel TV und im Internet ausgestrahlt. Das Diakoniewerk »Die Zieglerschen« in Wilhelmsdorf bei Ravensburg, bei dem Bräuning ebenfalls zu 50 Prozent angestellt ist, unterstützt diese Medienaktivitäten. Weiterhin wird der Fernsehpfarrer und Liedermacher Konzerte geben sowie in der Synode der Evangelischen Landeskirche in Württemberg mitarbeiten.
Die persönliche Deadline hat den Theologen dazu geführt, schneller Nägel mit Köpfen zu machen. »So viele Entscheidungen werden nicht getroffen, weil ich Angst davor habe, was andere über mich sagen«, schreibt er.
»Nichts mehr auf die lange Bank schieben. Nichts mehr aussitzen.«
Und deshalb gönnt er sich Dinge, die immer wieder aufgeschoben wurden: Der begeisterte Klavierspieler kauft sich einen Flügel, nimmt sich viel mehr Zeit fürs Texten und Komponieren, macht den Bootsführerschein, besucht die Passionsfestspiele in Oberammergau, geht mit seinen Kindern ins Stadion zu einem Spiel der Fußball-Nationalmannschaft. Sein neues Motto: »Nichts mehr auf die lange Bank schieben. Nichts mehr aussitzen. Nichts mehr abwarten bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag.«
Als das gesetzte Todesdatum näher rückt, bekommt es Bräuning allerdings mit der Angst zu tun. Manche haben ihn vor einer »selbsterfüllenden Prophezeiung« gewarnt. An dem Tag selbst rechnet er jeden Moment damit, einen tödlichen Unfall zu erleiden oder an einem Herzinfarkt zu sterben. Doch es passiert nichts – und das Leben geht für ihn weiter.
Heute lebt er nach eigenen Worten anders, bewusster. Wie das auch anderen Menschen gelingen kann, ohne gleich einen Todestermin in den Kalender zu setzen, beschreibt er im letzten Abschnitt seines Buchs. Er wirbt dafür, die eigene Mitte im Leben zu finden, Dankbarkeit zu entdecken, Belastendes loszulassen und den Genuss in den Alltag zurückzuholen – bevor der Tod tatsächlich kommt.