Mein Bruder ist an Alzheimer erkrankt. Die Familie weiß das schon lange, mittlerweile verschlechtert sich aber sein Zustand immer mehr. Wir alle versuchen, so gut es geht zu helfen und meine Schwägerin zu unterstützen und uns nichts anmerken zu lassen.

Jetzt haben Bekannte mir erzählt, dass mein Neffe, der 37 ist, auf Facebook immer wieder über das schreibt, was er mit seinem Vater erlebt. Meine Schwester und ich regen uns sehr darüber auf - er sagt nur: Das macht man doch heutzutage. Meine Schwägerin sagt, er soll machen, was er möchte. Er selbst bekommt offensichtlich viel Echo, und mein Bruder ist zu krank, als dass es ihm noch was ausmacht.

Aber ich denke immer: Wenn jemand über mich so schreiben würde, wie könnte man ihn eigentlich stoppen?

Frau K. (64)

Ich glaube, es geht zunächst einmal um zwei völlig unterschiedliche Weisen, mit dieser Krankheit umzugehen. Sie und Ihre Schwestern schließen sich eher fester zusammen, versuchen, Ihre Schwägerin zu unterstützen, wollen aber nach außen wenig zeigen davon, wie es Ihnen geht mit der sich zunehmend verschlechternden Situation Ihres Bruders. Das ist eine Möglichkeit, einander zu unterstützen und sich dadurch vielleicht auch gegenseitig zu trösten und zu entlasten. Sie hat den Vorteil, dass Sie (vermeintlich) kontrollieren können, was über die Krankheit nach außen dringt - und den Nachteil, dass Sie wenig davon erfahren, wie es anderen in einer vergleichbaren Situation ergeht.

Ihr Neffe hat eine andere Möglichkeit gewählt: Er veröffentlicht das, was er mit seinem Vater erlebt. Das machen ja mittlerweile viele Menschen, in Internet-Foren, in Büchern. Das Echo, das er bekommt, tröstet ihn auch und hilft ihm, als Sohn mit dieser Situation fertig zu werden. Für Sie ist das wie ein Geheimnisverrat, ein Ausplaudern von Familiengeheimnissen an Fremde.

Die rechtlichen Möglichkeiten, sich dagegen zu schützen, dass Dinge über uns veröffentlicht werden, die wir eigentlich unter Verschluss halten wollen, sind beschränkt. Aber es gibt die Möglichkeit, offen miteinander zu sprechen und die unterschiedlichen Formen, Trost und Unterstützung zu suchen, erst mal anzuerkennen und dann zu versuchen, einander verständlich zu machen, was man veröffentlicht haben möchte und was nicht.

Vielleicht ist auch allmählich die Belastung, unter der Sie als Familie stehen, zu groß, um alles alleine schaffen zu können. Vielleicht ist irgendwann auch der Moment gekommen, wo man erkennen muss, dass man sich nach Solidarität, Verständnis und Unterstützung sehnt, die vielleicht auch von "Fremden" und Außenstehenden kommt.

Das muss nicht über Facebook gehen. Das können Angehörigengruppen sein oder Gespräche in einer Beratungsstelle. Sie können einem helfen, nicht nur mit den Belastungen, die die Beziehung zu einem Erkrankten mit sich bringt, fertig zu werden, sondern auch dabei, sich klar zu werden über die unterschiedlichen Formen, mit diesen Belastungen umzugehen - und über die Unterschiede (z.B. zwischen den Generationen), die dadurch in einer Familie deutlich werden.