Bei der Schulbildung waren Buben und Mädchen gleichberechtigt – zumindest am Anfang. Im 14. Jahrhundert ermöglichten wohlhabende Eltern ihren Sprösslingen, ob männlich oder weiblich, die gleiche Schulausbildung als Privatunterricht daheim. Irgendwann jedoch lockten die humanistischen Gymnasien und Universitäten in Jena und Göttingen.
Da waren die jungen Männer dann doch privilegiert, denn "wer schickt schon seine Mädchen alleine und so weit weg zum Studieren?", meint Christa Koepff vom Historischen Verein Memmingen. Dennoch gehörten Lesen, Schreiben und Rechnen zur "Aussteuer". Denn die Ehefrauen von Handelsherren, Kaufleuten und Handwerkern mussten zu Hause das Kontor führen, erläutert Koepff.
Frauen erhofften sich mehr Freiheit
"Die Martinskirche und ihre Frauen", so hieß die besondere Kirchenführung, die Christa Koepff und Memmingens evangelische Dekanin Claudia Schieder jetzt anboten. Anlass war die Wanderausstellung "Vom Dunkel ins Licht – Frauen der Reformation im süddeutschen Raum", die in St. Martin zu Gast war.
Die Reformation war eine Massenbewegung, und die Frauen hatten ihren Anteil daran – das wurde bei der Führung deutlich. Zeugnisse belegen, dass viele Frauen in ihrem Engagement für die "Causa Lutheri" sehr motiviert, kreativ, manchmal sogar radikal waren und den Männern in nichts nachstanden. Damals war das Idealbild der Frau eine jungfräuliche Nonne. Mit der Reformation erhoffte sich das weibliche Geschlecht mehr Freiheiten und Selbstständigkeit.
Barbara Stebenhaber und Elisabeth Zangmeister: einflussreiche Ehefrauen
Viele Nonnen und angehende Ordensschwestern verließen daher die Klöster und schlossen sich der reformatorischen Bewegung an. Sie heirateten aus Protest und Überzeugung. Dazu ermunterte sie Martin Luther, der die Klöster verpönte, da seiner Meinung nach "das Klosterleben nicht dem Seelenheil diene". Dagegen pries er die Ehe als "göttliche Gabe". Die weibliche Rolle war damit jedoch auf die einer Ehefrau, Hausfrau und Mutter beschränkt.
Dennoch gab es starke, einflussreiche Frauen, die allerdings nur gemeinsam mit ihren Ehemännern erwähnt wurden. Sie führten den Haushalt mit mehreren Bediensteten, sorgten für die Erziehung des Nachwuchses, gründeten Stiftungen oder halfen mit ihrem Geld benachteiligten Menschen. Eine solche Frau war Barbara Stebenhaber. Sie wurde um 1495 in Memmingen geboren und wird von einer der Skulpturen im Chorgestühl von St. Martin dargestellt. Auch Elisabeth, die Ehefrau des Memminger Bürgermeisters Eberhard Zangmeister, war eine besondere Erscheinung, die "trotz elf Kindern eine glückliche Ehe führte" und ihrem Mann tatkräftig zur Seite stand.
Freskenwerk und Frauenpower
Bei der Sonderführung in St. Martin machte Dekanin Schieder in der Zangmeister-Kapelle auch auf das sehr gut erhaltene Freskenwerk aufmerksam, das die Begegnung zwischen den zwei schwangeren Frauen Maria und Elisabeth zeigt. "Damals war es eine beschwerliche Reise für Maria, die die ersten drei Monate ihrer Schwangerschaft bei Elisabeth verweilte", betonte Schieder. Auch deshalb symbolisiere für sie das Bild "Frauenpower".
Ebenso verwies sie auf die Fresken im Chorgestühl der Kirche, die die tugendhaften und törichten Jungfrauen darstellen. Der moralische Anspruch dieser Szene laute: "Passt auf, dass das Glaubenslicht nicht erlischt, bevor der himmlische Bräutigam wieder kommt."
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