Der finanzielle Spielraum wird angesichts der schwächelnden Wirtschaft auch im Freistaat Bayern enger: Die Staatsregierung hat diese Woche bei einer Haushaltsklausur Verschiebungen beschlossen, Kritiker sprechen von Kürzungen und Kahlschlag. Mehrere Kommunalpolitiker fordern auch Einsparungen bei der kostenintensiven Kita-Betreuung. Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) hält davon nichts: Sie will nicht nur die Zahl der Kita-Plätze weiter erhöhen, sie will auch die Qualität weiter verbessern.
Frau Scharf, wie entscheidend ist eine gute Kita-Versorgung für den Wirtschaftsstandort Bayern?
Scharf: Kinderbetreuung ist nicht nur aus bildungspolitischer Sicht wichtig. Die dort geleistete frühkindliche Bildung ist wesentlich für jeden weiteren Schul- und Berufserfolg und auch für gelingende Integration. Kinderbetreuung ist besonders auch aus wirtschaftspolitischer Sicht von großer Bedeutung. Wir wissen, dass 75 Prozent der in Deutschland berufstätigen Frauen in Teilzeit arbeiten - und viele würden gerne mehr arbeiten, doch das scheitert an der verlässlichen Kinderbetreuung.
Der Freistaat hat vergangenes Jahr Milliarden in die Kinderbetreuung gesteckt. Reicht das?
Scharf: Jeder Euro, den wir in diesem Bereich investieren, ist gut und wichtig für unsere Zukunft, für unsere Gesellschaft. Wir haben am gesamten bayerischen Staatshaushalt den drittgrößten Anteil. 8,5 Milliarden Euro beträgt der Sozialhaushalt, und mehr als die Hälfte davon geht mit rund 4,8 Millionen in den Bereich Familie und Kinder. Es ist entscheidend für die Menschen und die Wirtschaft, dass wir bei der Kinderbetreuung in Zukunft nicht nur noch mehr Plätze, sondern auch eine noch höhere Qualität anbieten.
Der Präsident des bayerischen Gemeindetags, Uwe Brandl (CSU), hält aber eine Absenkung des Betreuungsschlüssels in Kitas aus finanzieller Sicht für denkbar - Sie demnach nicht?
Scharf: Wir denken nicht darüber nach, die vorgeschriebenen Betreuungsschlüssel zu verschlechtern. Es ist aber kein Geheimnis, dass wir mehr Geld im Kita-System brauchen, weil der Bedarf einfach seit Jahren steigt - und deshalb halte ich es für richtig, dass die Staatsregierung bei ihrer Haushaltsklausur für den Nachtragshaushalt beschlossen hat, direkte Zahlungen an die Eltern umzuschichten in indirekte Zuschüsse für die Kindergärten und Kinderkrippen im Land.
An dieser Umschichtung gibt es aber durchaus auch Kritik, weil eben das Krippengeld wegfällt - die einzige Leistung für Eltern in Bayern, die ans Einkommen gekoppelt war...
Scharf: Zu einer soliden Politik gehört eine solide Haushaltspolitik. Man kann das Geld nur einmal ausgeben: Wir sind überzeugt, dass es im Moment besser ist, die Mittel für den Ausbau und den Betrieb der Kitas zu einem Teil direkt ins System zu geben. Die 3.000 Euro Kinderstartgeld zum ersten Geburtstag eines Kindes unterstützen Familien in Bayern weiterhin individuell - das gibt es nur in Bayern!
Glauben Sie nicht, dass vor allem einkommensschwache Eltern womöglich ihren Wiedereinstieg nach der Babypause durch die wegfallenden 100 Euro Krippenzuschuss pro Monat nach hinten schieben?
Scharf: Das Krippengeld war als Zuschuss für einkommensschwache Familien gedacht, nicht zur Kostendeckung der Elternbeiträge in einer Kita. Was bei der Diskussion vergessen wird: Eltern, die sich einen Krippen- oder Kindergartenplatz finanziell trotz Arbeit nicht leisten können, können die "wirtschaftliche Jugendhilfe" in Anspruch nehmen. Diese kann bei den zuständigen Jugendämtern beantragt werden. Je nach finanzieller Möglichkeit der Eltern werden die Elternbeiträge dann teilweise oder auch komplett übernommen.
Sie haben vorhin gesagt, die Betreuungsqualität in den bayerischen Kitas soll noch besser werden. Wie genau?
Scharf: Wir sind auf einem guten Weg. Der durchschnittliche Betreuungsschlüssel in einem bayerischen Kindergarten liegt aktuell bei 1:9,13. Eine pädagogische Fachkraft kümmert sich im Schnitt um 9,13 Kinder. Laut Bayerischem Kinderbildungs- und Betreuungsgesetz (BayKiBiG) liegt der Mindest-Betreuungsschlüssel bei 1:11. Dieser Wert ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich besser geworden.
Neben der Frage der Betreuungsqualität geht es ja vor allem auch um die Frage: Gibt es überhaupt genügend Kita-Plätze...
Scharf: Kinderbetreuung ist kommunale Pflichtaufgabe. Dafür erhalten die Kommunen über den kommunalen Finanzausgleich Förderungen. Die Staatsregierung steht an der Seite ihrer Städte und Gemeinden. Daher gab es in der Vergangenheit verschiedene Investitionsprogramme für Kita-Neubauten. In der vergangenen Legislaturperiode wurden bayernweit 83.000 neue Kita-Plätze gebaut, im Koalitionsvertrag hatten wir uns "nur" 40.000 vorgenommen...
...und wie geht es angesichts der knapper werdenden Haushaltsmittel im Baubereich weiter?
Scharf: Im Koalitionsvertrag ist der Bau von 50.000 weiteren Kita-Plätzen festgeschrieben. Die Kritik aus den Kommunen war zuletzt vor allem, dass der Freistaat die Standards beim Kita-Neubau so hoch setzen würde. Das ist aber nicht der Fall. Wie gebaut wird, entscheiden die Kommunen beziehungsweise die Träger. Dazu muss man wissen: Viele Standards setzt der Bund. Wir erlassen diese nur, wo es für die Qualität der kindlichen Bildung unerlässlich ist, etwa für den Anstellungsschlüssel oder die Fachkraftquote.
Und was ist die Lösung? Es kann ja nicht sein, dass die Qualität und Ausstattung einer Kita in erster Linie von der Finanzkraft des Wohnorts abhängt...
Scharf: Nein, wir berücksichtigen die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Wir werden in einer Kommission gemeinsam mit kommunalen Vertretern noch einmal über Standards im Sozialbereich sprechen. Dazu gehören auch die Kitas. Wir wollen eine förderfähige "Modellkita" entwickeln, an der sich die Planungen der Kommunen vor Ort orientieren können.
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