In seinem Buch "De docta ignorantia" schreibt Nikolaus von Kues:

Die Mathematik hilft uns im Begreifen verschiedener Bereiche des Göttlichen am meisten:

Alle unsere weisen und heiligen Lehrer stimmen darin überein, dass das Sichtbare in Wahrheit Bild des Unsichtbaren sei und dass der Schöpfer auf erkenntnismäßigem Wege von den Geschöpfen wie in einem Spiegel und Gleichnis erkannt und gesehen werden könne.

Die Tatsache aber, dass das Geistige, das durch sich selbst für uns unerreichbar ist, symbolisch gewusst wird, hat ihre Wurzel in dem zuvor Gesagten: dass nämlich alles zueinander in einem – wenn auch uns verborgenen und unbegreiflichen – Verhältnisbezug steht, sodass aus allem ein Gesamt sich erhebt und alles in dem einen Größten das Eine selbst ist.

Obwohl jedes Bild der Gleichheit dem Urbild nahezukommen scheint, so gibt es neben dem größten Bild, welches das ist, was das Urbild in der Einheit der Natur ist, kein Bild so ähnlich oder gleich, dass es nicht unendlich ähnlicher und gleicher sein könnte.

 

Dass die Mathematik uns im Begreifen des Göttlichen am meisten hilft, würden wohl die meisten heute bezweifeln. Bei Theologen des Hohen Mittelalters finden wir allerdings ausgeklügelte Spekulationen über die innertrinitarischen Beziehungen, sodass man sich nur wundern kann, wie genau sie über Gott Bescheid wussten.

Mensch als Spiegel Gottes

Aber dass das Sichtbare ein Bild des Unsichtbaren sei, hat schon Paulus im Römerbrief gesagt: "Seit Erschaffung der Welt wird seine unsichtbare Wirklichkeit an den Werken seiner Schöpfung mit der Vernunft wahrgenommen" (Röm 1, 20). Schließlich spiegeln wir Menschen selbst die Wirklichkeit Gottes wider. Er hat uns nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen.

Anselm von Canterbury sah in Gott das Wesen, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann. Es ist für Cusanus nicht nur das Geistige, sondern das Eine schlechthin – das brachte ihm den Vorwurf des Pantheismus ein. Gott über allem und in allem ist bei Paulus die Zukunftsvision (vgl. 1 Kor 15, 28). Letztlich ist Christus der Garant der Einheit nicht nur der Menschen, sondern von allem, was im Himmel und auf Erden ist (vgl. Kol. 1, 19 f.).

Wir erkennen, was Gott nicht ist

Nicolaus Cusanus sucht die Wirklichkeit Gottes zu erforschen. Er weiß, dass wir eher erkennen, was Gott nicht ist. Aber er möchte doch zur Wirklichkeit Gottes gelangen, wenn auch nur im Abbild und Symbol. Nur: Ist Gott nicht in Jesus Christus sichtbar und fühlbar geworden? Heißt es nicht im ersten Johannesbrief: "Jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott"? (1 Joh 4,8) Cusanus war ein Kind seiner Zeit und des mystischen und theologischen Umfelds.

Das ist seine Stärke, aber auch seine Grenze.

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