Für Pfarrer Kuno Hauck, Beauftragter für Kirchenasyl und Migration im evangelischen Dekanat Fürth, war es eine Premiere: "Das war das erste Mal, dass ich ein Wanderkirchenasyl organisiert habe." Drei Gemeinden waren daran beteiligt. Im Augenblick läuft ein zweites, das er initiiert hat. Als Partner konnte Hauck ein Frauenkloster gewinnen. Er hält es für "zwingend notwendig", Wanderkirchenasyle zu organisieren. Denn immer mehr Flüchtlinge müssen bis zu eineinhalb Jahre im Kirchenasyl ausharren, bevor sie in Deutschland überhaupt erst Asyl beantragen dürfen: "Das kann eine Gemeinde alleine nicht mehr stemmen."

Entscheidung mit weitreichenden Folgen für Betroffene

Dass Kirchenasyle heute oft 18 Monate lang dauern, liegt an einer Entscheidung der Innenministerkonferenz, auf die sich wiederum das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) beruft. Demnach müssen Dublin-Fälle, die aus einem "sicheren Drittland" wie Italien, Frankreich oder Ungarn nach Deutschland eingereist sind, seit August 2018 eineinhalb Jahre im Kirchenasyl bleiben, um eine Überstellung ins EU-Erstaufnahmeland zu verhindern. Eine erhebliche Hürde, denn bei gut 90 Prozent aller Kirchenasylgäste um "Dublinfälle" handelt. Früher lag die Kirchenasyl-Frist bei nur sechs Monaten, also einem Drittel.

Für Stephan Theo Reichel, Geschäftsführer des Münchner Vereins "matteo - Kirche und Asyl", sei die Entscheidung der Innenminister ein Skandal, es gebe keine rechtliche Grundlage dafür. Gleich mehrere Verwaltungsgerichte in Bayern hätten inzwischen diese Verlängerung der Überstellungsfrist abgelehnt. Nur in Oberfranken sei dies bisher nicht geschehen: "Weshalb Wanderkirchenasyle hier Sinn machen", sagt Reichel. Ihmzufolge ist die Verschärfung aufgrund des großen Widerstands inzwischen allerdings so gut wie "vom Tisch". Der Bayerische Flüchtlingsrat teilt diesen Optimismus nicht.

18 Monate dauernde Ungewissheit

"Die 18 Monate sind nach wie vor gängige Praxis", sagt Sprecher Stephan Dünnwald. Dies mache dem Kirchenasyl gleich in mehrfacher Hinsicht zu schaffen. Etliche Kirchengemeinden seien "verschreckt" und böten deshalb überhaupt kein Kirchenasyl mehr an. Andere, die sich auf ein 18-monatiges Asyl einlassen, bleiben lange blockiert. Auch vor August 2018 wurden immer wieder Verlängerungen des Kirchenasyls auf eineinhalb Jahre durchgesetzt, berichtet Pfarrer Hauck. Die in Fürth untergebrachte Afrikanerin zum Beispiel hätte ursprünglich nur zwei Monate im Kirchenasyl bleiben sollen, erinnert er sich.

Doch dann wurde der Kirchengemeinde mitgeteilt, dass die Frau aus Äthiopien als "untergetaucht" gilt, weil sie ohne Erlaubnis ihren Freund besucht hatte: "In dieser Zeit wurde versucht, sie abzuschieben." Dies führte zur Verlängerung des Kirchenasyls. Am Beispiel der Afrikanerin zeigt sich für Hauck, wie "inhuman" die deutsche Politik geworden ist. "Diese Frau hat Schreckliches erlebt", betont der evangelische Pfarrer. In Libyen hatte man sie gefasst und an einen Mann verkauft, der sie auch noch vergewaltigte. In ihr Heimatland kann sie nicht zurück, da ihr weiterhin Zwangsheirat und Genitalverstümmelung drohen.

Inzwischen hat die Frau das Wanderkirchenasyl hinter sich und kämpft um ihre Anerkennung. Nachdem sie das Kirchenasyl verlassen durfte, nahm Hauck eine Iranerin auf, die über Ungarn nach Deutschland geflohen war. Das war im Juli 2018. Die Gemeinde von St. Martin war damals darauf eingestellt, die Frau bis Januar 2019 zu betreuen. Doch auch sie wurde als "untergetaucht" eingestuft - "aus behördlicher Willkür", urteilt Hauck. Dagegen läuft derzeit eine Klage gegen diese Amtsentscheidung, doch solange die nicht entschieden ist, muss die Frau im Kirchenasyl bleiben: "Im schlimmsten Fall bis Januar 2020."

Auch Helfer brauchen Pausen

Auch in diesem Fall musste Hauck wieder ein Wanderkirchenasyl organisieren. "Nach drei bis vier Monaten Kirchenasyl braucht es ein Atemholen der Haupt- und Ehrenamtlichen", sagt der Pfarrer. Denn "Kirchenasyl" bedeute ja nicht, eine Person nur unterzubringen: "Das sind intensive Begleitungen." Ein Deutschkurs muss organisiert werden, jemand muss einkaufen und dafür sorgen, dass der Gast beschäftigt ist. Vor allem braucht es Hilfe in seelischen Krisen. Denn so erleichternd es anfangs ist, in Sicherheit zu sein, so belastend ist dieser "Goldene Käfig" Kirchenasyl auch schnell: "Manche werden depressiv."

Ohne das Kirchenasyl haben Asylbewerber, die unter das Dublin-Abkommen fallen, keine Möglichkeit, dass ihr Fall in Deutschland geprüft wird. Dürfen sie nach dem Kirchenasyl einen Asylantrag stellen, bedeutet das allerdings nicht, dass sie tatsächlich auch Asyl erhalten. "Der Ausgang ist völlig offen", sagt Hauck. Die Erfahrung zeige jedoch, dass den Schutzsuchenden hinterher oft Asyl gewährt wird. Weil sich die Situation weiter verschärft, plädiert er für neue Formen über das Wanderkirchenasyl hinaus. Etwa das "Gemeindekirchenasyl", bei dem Flüchtlinge nicht mehr im Pfarrhaus, sondern bei Gemeindemitgliedern leben. Die Gemeinde vertrete dies "nach außen als Kirchenasyl".

Gegen die Entsoldarisierung der Politik

Hauck weiß, wie kritisch dieser Akt christlicher Solidarität gesehen wird. Doch er hat eine klare Position: "Je stärker sich der Staat von seiner Aufgabe entfernt, Geflüchtete zu schützen und ihnen ein humanes Asylrecht zu gewähren, umso stärker müssen wir Christen dem etwas entgegensetzen." Man könne Gemeinden, die ein Wander- oder ein Gemeindekirchenasyl organisieren, keinen Rechtsbruch vorwerfen, solange die Politik täglich die Menschenrechte verletze. Eine Ansicht, die Pfarrerin Jutta Müller-Schnurr von der evangelischen Gemeinde St. Matthäus in Bamberg teilt. Die Politik "entsolidarisiert" sich, sagt sie.

Politiker ließen es zu, dass Männer, Frauen und Kinder in Länder abgeschoben werden, wo ihnen Obdachlosigkeit drohten oder wo sie keine ausreichende medizinische Versorgung erhielten. Müller-Schnurr hat selbst schon Kirchenasyle organisiert. Wochenlanges Ausharren im Kirchenasyl sei ziemlich belastend: "Die Geflüchteten sind immer auf den Grund des Kirchengeländes begrenzt." Ein Wanderkirchenasyl mit einem Ortswechsel alle vier bis fünf Monate könnte für alle Beteiligten hilfreich sein: "Der Gast weiß, dass er wieder eine Station durchlaufen hat, es geht weiter, in den 'Wartestand' kommt etwas Bewegung."