"Friedenskräfte doch überschätzt"

Eine Woche nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges notierte der deutsche Pazifist Alfred Hermann Fried, er habe "die Friedenskräfte doch überschätzt".

Auch angesichts der deprimierenden Machtlosigkeit der Friedensbewegung hoffte der Friedensnobelpreisträger dennoch darauf, dass die Staaten sich künftig als internationale Rechtsgemeinschaft organisieren.

Fried, der vor 75 Jahren starb, verglich die Katastrophe wenige Jahre vor seinem Tod mit einer Überflutung des noch nicht fertiggestellten Dammes der Friedensbewegung. Doch der Fortschritt könne nur verzögert, nicht aber gestoppt werden.

Pazifismus und frühe Friedensbewegung

Fried wurde am 11. November 1864 in Wien geboren. 1887 ging er nach Berlin. Unter dem Eindruck der Kriegsbilder des russischen Malers Wassili Werestschagin wandte er sich dem Pazifismus zu und wurde Anhänger der Pazifistin Bertha von Suttner.

Bereits 1892 wurde auf Initiative Frieds und seiner Mentorin Suttner in Berlin die Deutsche Friedensgesellschaft gegründet. Trotz zahlreicher Aktivitäten war Fried weniger Organisator als vielmehr der Typ des zurückgezogenen Gelehrten, der publizistisch für seine Überzeugung eintrat.

Das erste Programm der Deutschen Friedensgesellschaft von 1897 übernahm die drei klassischen Forderungen der frühen Friedensbewegung: Friedenssicherung durch Staatenföderation, obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit sowie Abrüstung.

"Die Friedens-Warte"

Die erste Haager Friedenskonferenz 1899 bewirkte eine Umorientierung. Fried befreite sich zunehmend von der illusionären Richtung. Die von ihm im selben Jahr gegründete Zeitschrift "Die Friedens-Warte" wurde rasch zum Forum seines "organisatorischen Pazifismus".

Darunter verstand Fried unter anderem die Förderung des Friedens durch zunehmende wirtschaftliche Verflechtung der Staaten und wachsende internationale Kommunikation. Dem gebürtigen Wiener gelang es, auch liberale akademische Kreise für die Friedensbewegung zu interessieren.

Völkerrechtler wie Otfried Nippold, Heinrich Lammasch, Walther Schücking und Hans Wehberg schrieben für seine Zeitschrift. Auch Bertha von Suttner gehörte mit ihren "Randglossen zur Zeitgeschichte" zum regelmäßigen Mitarbeiterkreis der "Friedens-Warte".

Ohne deutsche Anerkennung zum Friedensnobelpreis

Nicht zuletzt dank dieser Autoren entwickelte sich die Zeitschrift zum einflussreichsten pazifistischen Organ im deutschsprachigen Raum. Kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges konnte Fried den größten Triumph seines Lebens feiern.

1911 wurde ihm gemeinsam mit dem Niederländer Tobias Asser der Friedensnobelpreis verliehen. Das offizielle Deutschland versagte ihm dennoch jede Anerkennung. Der Beginn des Weltkrieges offenbarte das Scheitern seiner Theorie.

Die verschärfte Pressezensur zwang den Pazifisten dazu, die "Friedens-Warte", inzwischen "Blätter für zwischenstaatliche Organisation" genannt, ab März 1915 in Zürich erscheinen zu lassen.

Emigration in die Schweiz

Seine Emigration in die neutrale Schweiz verschaffte ihm größere Resonanz als je zuvor, weil ihm mit der angesehenen "Neuen Zürcher Zeitung" ein bedeutendes Organ zur Verfügung stand.

Gleichwohl offenbarten seine Schweizer Artikel die Grenzen seiner Einsichten. So verkannte er Stärke und Ideologie des deutschen Militarismus.

Nach dem Ende des Weltkrieges innerlich gebrochen, durch den reaktionären Kapp-Putsch erneut aus Deutschland vertrieben, starb Fried am 4. Mai 1921 verarmt in Wien an einer verschleppten Lungenentzündung.

Bayern hatte ihm die Aufenthaltserlaubnis verweigert. Lebend betrat Fried Deutschland nicht mehr. Nur dem Toten öffneten sich die Grenzen. Er wurde in München eingeäschert.

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