"Allmächd! HIV ist unter Therapie nicht übertragbar!" Mit einer Kampagne unter diesem Motto will der Verein Aids-Hilfe Nürnberg-Erlangen-Fürth vor dem Welt-Aids-Tages (1. Dezember) Wissen zu der Krankheit vermitteln.
Einer aktuellen Umfrage zufolge sei dieser Fakt nur 15 Prozent der Deutschen bewusst, berichtete Manfred Schmidt, Vereinsvorstand der regionalen Aids-Hilfe, am Montag bei einer Pressekonferenz.
Schnelltests sind kaum mehr möglich
Die alles überlagernde Corona-Pandemie habe in diesem Jahr viele HIV-Aufklärungs- und Präventionsprogramme ausgebremst. So mussten bei der Nürnberger Aids-Hilfe beispielsweise im Lockdown-Frühjahr die HIV-Schnelltests zur Verdachtsdiagnose kurzfristig gestrichen werden.
Die Beratungen in Einzelbüros hätten laut Schmidt aber weiter stattfinden können. Mittlerweile seien "nach einer zu langen Pause" auch wieder Treffen von Selbsthilfegruppen denkbar.
Eine weitere Folge der Corona-Pandemie ist, dass es mittlerweile schwer oder kaum noch möglich sei, sich bei den überlasteten Gesundheitsämtern mit einem HIV-Schnelltest untersuchen zu lassen. Schmidt registriert "eine Verschiebung der Zielgruppen" bei den Testkunden der regionalen Aids-Hilfe.
Heterosexuelle Testkunden kämen statt zum Amt verstärkt zu den Checkpoints der Aids-Hilfe, während die Zahl der testwilligen homo- und bisexuellen Personen abnehme. Möglicherweise greife diese Gruppe auf telefonisch zu beantragende Heimtests oder auf käufliche Selbsttests zurück.
Denkbar sei aber auch, dass beispielsweise Sexarbeiterinnen nicht mehr erreicht werden. Deren Arbeit verlagere sich im Schatten von Corona stärker in den Graubereich und dort seien sie kaum mehr erreichbar.
Neue Statistiken
Aktuell registriert Schmidt einen leichten Infektionsrückgang bei schwulen Männern, während die Zahl bei heterosexuellen HIV-Infizierten ganz leicht steige. Zuletzt wurden für das Jahr 2018 1.358 HIV-Infizierte in Mittelfranken amtlich registriert, darunter 56 Neu-Infizierte. Die aktuelle Zahl, die vom Berliner Robert Koch Institut veröffentlicht wird, steht noch aus. Wichtiger ist für Schmidt allerdings die Dunkelziffer. Bundesweit wird geschätzt, dass 10.000 bis 13.000 Menschen nichts von ihrer HIV-Erkrankung wissen.
Projekte durch Pandemie gestoppt
Diese Dunkelziffer ist für Sarah Armbrecht, Leiterin der Aids-Beratung Mittelfranken der Stadtmission Nürnberg, der Grund dafür, dass man auch heute noch auch in Deutschland an Aids sterben kann. Eine Weitergabe von HIV sei am wahrscheinlichsten, wenn man die Erkrankung nicht erkenne. Daher seien Vorträge und Workshops zur Prävention besonders wichtig, die allerdings durch die Corona-Pandemie unter Druck geraten sind.
"Corona wirkt bei der Prävention besorgniserregend", stellt Armbrecht fest. Sie fürchtet angesichts der vollen Aufmerksamkeit auf COVID-19, dass es erhöhte Neuinfektionen geben wird. So hat der Corona-Lockdown im Frühjahr dafür gesorgt, dass die Aids-Beratung "eine kurze Phase lang" keine Gespräche vor Ort durchführen konnte.
Außerdem kann wegen Corona beispielsweise kein Frauencafe zur Beratung angeboten werden, Schulungen finden nur eingeschränkt und überwiegend als Videoangebot statt.
Digitale Angebote
Über digitale Angebote, dazu gehören neuerdings auch Instagram, YouTube und Facebook, würden gerade junge Zielgruppen gut erreicht. Für ältere Klienten und deren Familien wurden "Positiv-Spaziergänge" entwickelt, um trotz der Corona-Restriktionen die Aids-Betreuung und Beratung unter freiem Himmel fortsetzen zu können. Zum diesjährigen Welt-Aids-Tag wird die Stadtmission Nürnberg ebenfalls HIV-Schnelltests nach telefonischer Anmeldung anbieten.
Für Armbrecht ist dieses Angebot besser als ein Selbsttest, weil Aids-Beratung oder auch Aids-Hilfe mit den Schnelltests auch immer eine psychosoziale Beratung anbieten. Das sei "ein immenser Vorteil", damit Menschen mit ihrer Verdachtsdiagnose nicht alleingelassen würden.
Im Schatten der Corona-Pandemie und der Angst vor einer COVID-19-Infektion macht Armbrecht auch wieder eine "Aids-Hypochondrie" aus. Das liege sowohl an der unzureichenden Aufklärung als auch an irrational übersteigerter Infektionsangst im Corona-Kontext. Der Nachteil daran: Solche Anrufer blockieren beispielsweise die Ressourcen der telefonischen Beratung.