Der Wandel vom Verbrenner zur E-Mobilität ist beschlossene Sache - zumindest für die Automobilindustrie. In der Arbeitswelt löst die Transformation eher Unsicherheit aus, weil sie das Leben der Menschen durcheinanderbringt. Wie sicher und zukunftsfest sind die Arbeitsplätze? Das Netzwerk "Christen bei Audi" hat sich zum Ziel gesetzt, den Wandel "positiv und mutig" anzugehen und veranstaltet Informationsforen. "Der Klimawandel ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe", betont Chris Orlamünder, Audi-Mitarbeiter und Sprecher des Netzwerks, im Sonntagsblatt-Gespräch.

Der Klimawandel hat massive Auswirkungen auf das Ökosystem, aber auch auf die Wirtschaft. Wie sehr wandelt sich die Automobilindustrie im Moment?

Chris Orlamünder: Die Automobilindustrie ist ein Teil des Transportsektors, der etwa ein Viertel des CO2-Aufkommens ausmacht, mithin eine sehr betroffene Branche. Deshalb vollziehen wir gerade den Wandel vom Verbrennungsmotor zur E-Mobilität. Das heißt, es spielen Fragen eine Rolle wie: Wo kommt der Strom her, der in der Batterie ist? Wie kommt er zur Ladesäule und wo steht die Ladesäule? Das heißt: Es passiert gerade enorm viel mehr, als dass nur Elektroantriebe statt Verbrennungsmotoren in die Autos gesetzt werden. Die Autoindustrie wandelt sich vom Automobilhersteller zum Mobilitätsdienstleister von morgen. Hier spielen Schlagworte eine Rolle wie neue Geschäftsmodelle, autonomes Fahren, Künstliche Intelligenz und Digitalisierung.

Der größte Transformationsprozess seit Erfindung des Autos. Was fordert er von den Arbeitnehmern, müssen sie künftig mit einem Job-Verlust rechnen?

Orlamünder: Der Elektromotor hat weniger Teile, hat weniger Fertigungstiefe. In der Motorenherstellung werden sich die Arbeitsplätze ändern und einzelne verlorengehen. Auf der anderen Seite gibt es in anderen Bereichen wieder mehr Arbeitsplätze, die mit Digitalisierung und autonomen Fahren und der Software im Auto zu tun haben. Das muss ja auch alles gebaut werden. Ob es mehr oder weniger Arbeitsplätze weltweit sind, ist schwer zu sagen.

Die Transformation ruft bei Menschen Unsicherheit und auch Ängste hervor. Was tun Sie dafür, um den Wandel human zu gestalten?

Orlamünder: Es geht auch um eine Frage der Macht: Werde ich gewandelt oder bin ich Wandler? Muss ich mich verändern, ohne dass ich mitgestalten kann, ohne dass ich gefragt werde? Wird mir das Neue übergestülpt oder habe ich Mitspracherechte? Wenn ich mich für den neuen Job nachqualifiziere, wird mir da Zeit gegeben, wie läuft der Prozess? Diese Fragen werden ganz wesentlich sein. Menschen sind nach einer ersten Überwindung bereit, sich zu verändern. Aber die Frage ist: Wie passiert das, wie ist die Kultur eines Unternehmens? Wie nimmt die Firma den Arbeitnehmer mit und wie vermittelt sie den neuen Arbeitsplatz? Das wird entscheidend sein. Der Ton macht die Musik.

"Werde ich gewandelt oder bin ich Wandler?"

Sie wollen alle Kräfte bündeln und sprechen explizit die Christen in der Automobilindustrie an. Was wünschen Sie sich gesamtgesellschaftlich als Vertreter des Netzwerks "Christen bei Audi"?

Orlamünder: Ich finde, dass wir uns als Christen in der Breite noch zu wenig Gedanken darüber machen, was der Beitrag jedes einzelnen bei diesem Wandel ist. Ich spüre immer noch die Versuchung, dass sich Christen auf das vermeintlich Geistliche fokussieren, sich zu wenig selbst reflektieren statt praktisch mit an der Lösung zu arbeiten. Deshalb sollte jede größere christliche Organisation mitdenken und überlegen, wo wir stehen.

Es gilt für uns Christen wie für andere Menschen auch: Jeder und jede muss sich informieren, was der Klimawandel für uns Menschen bedeutet. Wie sieht das Zukunftsszenario aus, ist es enkeltauglich? Dann muss jeder Einzelne seine eigene CO2-Bilanz reflektieren. Mit den Ergebnissen müssen wir ins Engagement kommen und in die Tat gehen. Dazu höre ich kaum bedeutende Stimmen, höchstens einige Bekenntnisse von Kirchenoberen, aber zu wenig von der Basis, da würde ich mir noch mehr wünschen.