"Pressehügel" wird das Stück Rasen im Münchner Olympiapark genannt, an dem Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) an diesem Montagvormittag steht. Es ist ein historischer Ort: Von hier aus richteten 1972 Journalisten aus aller Welt ihre Objektive auf das Haus Connollystraße 31 im Olympischen Dorf. Dort hatten am 5. September 1972 palästinensische Terroristen eine Gruppe israelischer Sportler als Geiseln genommen. Stunden später sind nach einer gescheiterten Befreiungsaktion der Polizei elf der Olympiateilnehmer sowie ein Polizist tot.

Nach langen Diskussionen ist nun ein neuer Erinnerungsort für die Opfer fertiggestellt.

Vom Hügel aus bittet der Kultusminister zum ersten Blick auf das Resultat: "Einschnitt" heißt die Gedenkstätte. Tatsächlich sieht sie aus, als habe jemand ein Stück Wiese angehoben und als Dach auf einen leicht abgesenkten Raum gesetzt. Dunkle Materialien und beleuchtete Schautafeln sind unter der Rasenhaube zu sehen.

Der "Einschnitt" ist nicht der erste Ort des Gedenkens an die schwarze Stunde der Olympischen Spiele von München: Eine Gedenktafel am Ort des Attentats und eine Skulptur des Bildhauers Fritz König gibt es bereits. Der Erinnerungsort solle aber eine neue Facette liefern, sagt Spaenle. Ziel sei es, den Opfern im öffentlichen Bewusstsein wieder "ein Gesicht, eine Persönlichkeit und eine Vita" zu geben. Der Minister enthüllt später eine erste Schautafel, die die Biografie des beim Attentat getöteten Fechttrainers Andrei Spitzer zeigt. Spitzer ist darauf auf Fotos mit seiner wenige Monate alten Tochter Anouk und bei der Hochzeit mit seiner Frau Ankie zu sehen.

Erste Pläne scheiterten an Bürgerinitiative

"Es ist sehr notwendig, dass so etwas geschaffen wurde", betont Spaenle. Vor einigen Tagen habe er das Bauwerk besichtigt – und sei auf der gerade erst von den Absperrungen befreiten Baustelle bereits auf erste Besucher getroffen. Wie sich herausstellte, habe es sich um Angehörige eines der Opfer des Attentats gehandelt. Der Wunsch nach einem solchen Erinnerungsort sei groß gewesen, folgert er.

Ein Teil der Baugeschichte des 2,35 Millionen Euro teuren Erinnerungsorts ist aber auch der Streit um seinen Standort. Ursprünglich hätte er näher am Olympischen Dorf errichtet werden sollen. Bewohner der Gebäude wehrten sich allerdings mithilfe einer Bürgerinitiative. Auch vom neuen Ort aus ist aber das Haus Connollystraße 31 zu sehen.

Gedenkort für die Opfer des Olympia-Attentats von 1972 mit Schautafeln.
Gedenkort für das Münchner Olympia-Attentat 1972 mit Schautafeln.

 

Architekt Peter Brückner ist zufrieden mit dem Endergebnis. »Es ist ein besonderer Moment, zu sehen, dass das Bild, dass wir versprochen haben, genau so an diesem Ort funktioniert«, sagt er. Er nennt die Gedenkstätte ein »Gefäß, das die Menschen und die Erinnerungen aufnehmen kann«.

Der Name und die Form des »Einschnitts« sind kein Zufall. »Die Ereignisse waren ein Einschnitt: Vor allem in die zwölf Menschenleben der Getöteten, aber auch in die Geschichte der immer noch jungen Bundesrepublik und ein drastischer Einschnitt in die Geschichte der Olympischen Spiele selbst«, erläutert Spaenle. Für die Behörden habe es auch »die bittere Erkenntnis gegeben, dass man nicht vorbereitet war«.

Die dramatischen Bilder gehören auch zum kollektiven Gedächtnis der Münchner. Neben den Tafeln mit den Biografien der Opfer soll der Erinnerungsort auch sie noch einmal zeigen – und einordnen. Eine in Dauerschleife abgespielte 25-minütige Videoinstallation zeigt bewegte Bilder und liefert den historischen Kontext zwischen den »heiteren Spielen von München« und dem Konflikt im Nahen Osten. Der Erinnerungsort soll künftig 365 Tage im Jahr rund um die Uhr offen sein und Interessierten die Möglichkeit zur Information bieten.

 

Die Olympischen Spiele in München 1972 sollen »heitere Spiele« in einem neuen, freundlichen, modernen und weltoffenen Deutschlands werden. Doch am Morgen des 11. Wettkampftags dringen acht palästinensische Terroristen ins olympische Dorf ein. Ungehindert nähern sie sich dem Quartier der israelischen Mannschaft. Es ist das Ende der »heiteren Spiele«.