Beim Namen Sebastian Kneipp (1821-1897) denken viele an kalte Güsse und Wassertreten. Dabei umfasst die Gesundheitslehre des katholischen Pfarrers mehr. Ebenso wichtig wie Wasser und Bewegung waren ihm Heilpflanzen, Ernährung – und das Spirituelle. Dieses ganzheitliche Konzept prägt die Bad Wörishofer Gesundheitstage vom 15. bis 17. März. Stadt, katholische und evangelische Kirchengemeinde organisieren sie gemeinsam. Viele Veranstaltungen finden in der Erlöserkirche von Pfarrerin Susanne Ohr statt.

Frau Ohr, warum engagiert sich die Kirchengemeinde so stark bei den Gesundheitstagen?

Susanne Ohr: Uns ist der ganzheitliche Blick Kneipps auf die Gesundheit wichtig. Ich habe als Pfarrerin ja einen Schwerpunkt in der Kurseelsorge. Und auch dem Pfarrer Kneipp war die Seelsorge sehr wichtig. Er war zu seiner Zeit einer der wenigen, die beim Thema Gesundheit die Seele in den Blick genommen haben. Wörishofen ist damit so etwas wie die Wiege der Kurseelsorge. Dieser Tradition fühlen wir uns verpflichtet.

 Was bedeutet das Motto "Leben in Balance" in diesem Zusammenhang?

Ohr: Dass für die Gesundheit auch die Seele im Gleichgewicht sein muss. Kneipp nannte es die "Ordnung". Heute würde man Spiritualität sagen. Kneipp kam zu der Erkenntnis, dass er erst Ordnung in die Seele seiner Patienten bringen musste, damit auch die anderen Elemente seiner Gesundheitslehre zum Erfolg führen konnten. "Vergesst mir die Seele nicht", sagte er einmal.

 Welche Rolle spielt der Glaube dabei?

Ohr: Er gehört zum Leben in Balance dazu. Daher bringen wir bei den Gesundheitstagen unseren christlichen Erfahrungshorizont ein. Ein Thema ist etwa, wie Jesus sich Heil und Heilung vorgestellt hat. Das kommt in den spirituellen Wanderungen vor, die ich anbiete, aber auch bei den Impulsen am Mittag.

Wie wichtig ist in der heutigen Zéit das Leben in Balance?

Ohr: Sehr wichtig. Bei den Kurgästen erlebe ich immer wieder, dass Menschen, die stark im Berufsleben eingebunden sind, einen Ausgleich brauchen. Erst wenn körperliche Beschwerden auftreten, fangen sie an, danach zu suchen, was ihnen seelisch fehlt. Manchen wird das erst kurz vor dem Ende ihrer Kur bewusst. Wenn die Rückkehr in den Alltag ansteht, rufen Sie bei mir an und fragen: Was kann ich ändern?

Was raten Sie ihnen?

Ohr:  Ich gebe ihnen etwas an die Hand, das hilft, auch im Alltag zur Ruhe zu kommen. Das muss nichts Großes sein. Oft geht es nur darum, sich einfach einmal Zeit zu nehmen für Stille, für ein Gebet, eine Meditation oder das Lesen einer Bibelstelle.

Kann Glaube gesund machen?

Ohr: Ja, Glaube macht gesund – davon bin ich überzeugt. Das liegt vielleicht auch daran, dass man körperliche Leiden nicht mehr so tragisch nimmt. Andere Dinge sind wichtiger: im Einklang mit sich selbst zu leben, mit anderen Menschen und mit der Natur. Und einen Blick dafür zu haben, was das Leben reicher machen kann.