Christliche Perspektive

"Wenn man unter Himmel versteht, dass es eine neue Erde und einen neuen Himmel gibt, dann könnte man an die Möglichkeit denken, dass Tiere in den Himmel kommen", sagt der katholische Theologe Bertram Stubenrauch bei der Veranstaltung der evangelischen Stadtakademie zum Thema "Am Ende vereint - Was Religionen über den Tod von Tier und Mensch zu sagen haben".

Bei diesem relativ neu aufkommenden Thema, ob Tiere in den Himmel kommen, handle es sich keinesfalls um ein Einfaches, so der Theologe.

Werfe man einen Blick in die Bibel, so seien Tiere Teil der Schöpfung. Sie seien Mitgeschöpfe. Obwohl der Mensch nicht allein im Fokus stehe, sei die Bibel aber trotzdem anthropozentrisch ausgerichtet. Das heißt, die Bibel sei nicht in erster Linie am Tier interessiert, sondern am Menschen, verdeutlichte Stubenrauch.

Leben nach dem Tod kein Automatismus

Konkrete Aussagen über ein Leben nach dem Tod aus christlicher Perspektive fänden sich daher nur zum Menschen. Laut Stubenrauch kennzeichnen drei Aspekte den Tod eines Menschen: Der Tod ist das "Ende des Pilgerstandes", er ist die Trennung von Leib und Seele und der Tod ist als Sündenfolge zu verstehen.

Es handle sich bei der Auferstehung, um eine Grenzüberschreitung "nach vorne, auf Gott zu", so Stubenrauch. Der christliche Glaube beschreibe das "Danach" als ganzheitliche Auferweckung des Menschen, mit Jesus als einem personalen Gegenüber. Das Leben nach dem Tod ist nach Ansicht des Theologen folglich "kein kosmischer Automatismus."

Im Zuge der Auseinandersetzung, was nach dem Tod mit Tieren passiert, stelle sich für den katholischen Theologen auch die Frage, ob Tiere eine Zukunfts- bzw. eine Heilserwartung haben. Sind sie schuldfähig und brauchen Erlösung? Haben sie Sehnsucht nach Gott? Allerdings führten diesen Fragen nicht weiter, räumte Stubenrauch ein und warnte davor, Tiere zu vermenschlichen und umgekehrt.

Tiere in der Bibel

In der Bibel, so der Theologe, werde eine Unterscheidung in Nutztiere und andere Tiere gemacht. Bäuerliche Tiere seien positiver besetzt als Tiere, die anderen schaden.

Biblisch gesehen gebe es verschiedene Auffassungen über die Tierwelt. Einerseits kämen in den biblischen Geschichten Tieropfer vor und andererseits sei die Rede vom messianischen, beziehungsweise paradiesischen Frieden. Bei dieser Zukunftsvision, wie sie in Jesaja 11,6-8 beschrieben wird, spielen die Tiere eine durchaus positive Rolle, erklärte Stubenrauch.

"Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Knabe kann sie hüten. Kuh und Bärin freunden sich an, ihre Jungen liegen beieinander. Der Löwe frisst Stroh wie das Rind. Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter, das Kind streckt seine Hand in die Höhle der Schlange." Jesaja 11, 6-8

Islamische Auffassung

Der Koran bekräftige in einigen Suren, dass Tiere in den Himmel kommen, sagt Sarah Virgi, Expertin für Islamische Philosophie. Demnach hieße es in ausgewählten Suren, die Tiere werden vor dem Herrn "versammelt", was so viel wie "auferstehen lassen" bedeute. Das wiederum impliziere, dass Tiere ein jenseitiges Schicksal haben. Allerdings gebe es Uneinigkeit darüber, ob Tiere gerichtet werden, sagte die Expertin.

Islamische Theologen und Religionsgelehrte seien sich zu diesem Thema, ob Tiere in den Himmel kommen, oft uneinig, betonte Virgi. Es gebe zwei Strömungen innerhalb der islamischen Philosophie.

Tiere erhalten Entschädigung

Die Mu'tazilitische Schule, nach Angaben Virgis eine der wichtigsten theologischen Schulen im Islam in der Zeit zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert n. Chr., vertat die Ansicht, dass Tiere für ihre Schmerzen auf Erden entschädigt werden. Die Annahme: Wenn Gott gerecht ist, muss er sie entschädigen.

Die Vertreter der Mu'tazilitischen Schule schrieben den Tieren keinen freien Willen zu, weshalb sie nicht bestraft werden können. Nur der Mensch handle nach moralischen Normen und sei mit Vernunft begabt. Deshalb könnten auch wilde Tiere, die Schmerzen verursacht haben – also wilde Tiere, die Beute gerissen haben - im Jenseits sein, gab Virgi wieder.

Kein Tier im Jenseits

Eine andere Sicht hatte die mittelalterliche Schule der Philosophie im Islam, sagte die Wissenschaftlerin. Diese Strömung sei an antike Vorstellungen angelehnt gewesen, wie sie beispielsweise Aristoteles vertrat. Einer der bekanntesten Denker dieser Schule sei der persische Philosoph und Arzt Ibn Sīnā gewesen (oder auf lat. Avicenna, gest. 1037 n. Chr.).

Sein Werk sei von zentraler Bedeutung, so Virgi: Er behauptete, die Seele der Tiere sei untrennbar mit dem Körper verbunden, weshalb es keine Tiere im Jenseits gebe. Nur die Seele der Menschen lebe nach dem Tod weiter.

Dafür habe er viel Kritik bekommen, weil seine Überzeugungen im Widerspruch mit dem Koran stünden, erzählte Virgi. Zu den prominenten Kritikern Ibn Sīnās zählte der Theologe und Philosoph Faḫr al-Dīn al-Rāzī (gest. 1210 n. Chr.). Al-Rāzī sei überzeugt gewesen, dass Tiere eine unsterbliche Seele haben und rational agieren können. Folglich könnten sie auch nach dem Tod weiterleben.

Hinduistische Sicht

Im Vergleich zu den monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam sei der Hinduismus eine vollkommen andere Religion, sagte die Indologin Renate Syed. 

Das zeigt sich bereits eindrücklich darin, dass Tiere vergöttert werden. Unter den abertausenden Göttern ist da zum Beispiel Ganesha der Elefantengott, Hanuman der Affengott oder Naga die Schlangengottheit.

Bei der Frage nach dem jenseitigen Schicksal der irdischen Tiere spielten die Götter jedoch keine Rolle, denn sie seien, laut Syed, keine lenkenden Schöpfergötter. Die hinduistischen Götter greiften nicht ein, bekräftigte sie.

Das Karma vollzieht sich nach dem Gesetz der Notwendigkeit, wie ein Naturgesetz. Das heißt die Götter können nicht eingreifen. Würden die Götter eingreifen wäre das aus hinduistischer Sicht ungerecht. Es gibt keine göttliche Gnade und es gibt keine göttliche Strafe. Die indischen Götter sind wie Nietzsche das gesagt hat, jenseits von Gut und Böse. Sie sind Energiepotenzen. [..] Deswegen hat kein Hindu Angst vor den Göttern, es gibt nicht die Gottesfurcht.

Zentrale Bestandteile der hinduistischen Lehre seien der Glaube an die Wiedergeburt und der Glaube an mehrere Leben, erklärte die Indologin. Der Tod sei kein endgültiges Ziel. Entweder man werde nach dem Tod wiedergeboren (physischer Übergang ins Leben) oder erlange durch Meditation und Yoga das Nirvana (Übergang ins Nichts). Mensch und Tier teilten sich das gleiche Schicksal mit dem größten Ziel: die Befreiung aus dem Kreislauf der Existenz.

Kein gemeinsames Paradies

Renate Syed zufolge gibt es im Hinduismus weder ein ewiges Paradies, noch eine ewige Verdammnis.  Tier und Mensch teilten sich also keine gemeinsame Zukunft. Die Vorstellung eines Paradieses, wo Menschen und Tiere nach dem Tod zusammen (weiter)leben, gebe es im Hinduismus also nicht. Es gebe überhaupt keinen Ort der Gemeinschaft im Jenseits. Im Nirvana sei jeder allein, sagte Syed.

Karma

Der Glaube an das Karma (Tatvergeltung) bedeutet, dass jeder Mensch für seine guten und schlechten Taten mit Konsequenzen rechnen müsse, die er oder sie abzuleben hat – im Guten wie im Schlechten, so die Hinduismusexpertin. Habe jemand etwas Schlimmes getan, könne dieser Mensch aufgrund eines schlechten Karmas als Tier geboren werden. Ein Tier müsse schlechtes Karma abbüßen und werde dann, wenn es stirbt, wieder als Mensch geboren werden.

Die Vorstellung, dass jedes Tier ein früherer Mensch sei, führe dazu, dass Tiere unantastbar und als autonom betrachtet werden, so Syed. Laut hinduistischer Lehre sind Tiere vom Instinkt geleitet und immer unschuldig, sie dürfen deshalb nicht bestraft werden.  

Kein kategorischer Unterschied zwischen Mensch und Tier

Im hinduistischen Denken habe jedes Wesen, das atmet, einen unsterblichen Kern, weil jedes Wesen einen Überlebenswillen habe, so die Expertin. Sowohl Mensch als auch Tier. Ein Stein hingegen habe das nicht. Deshalb gebe es keinen kategorischen, sondern nur einen graduellen Unterschied zwischen Tieren und Menschen, erklärte Syed.

Im Vergleich zum Menschen könnten Tiere aber keine Ethik erlangen, das höchste Ziel im Hinduismus. Deshalb werde die Tierexistenz trotz ihrer Unantastbarkeit als niedriger und leidvoller angesehen, so Syed. Ein Mensch hingegen habe Vernunft und einen eigenen Willen. Tiere jedoch hätten eine eigene Natur, die sie nicht überwinden könnten. Aus diesem Grund sollten die Hindus mit den Tieren Mitleid haben.

Auswirkungen: Gewaltfreiheit und Vegetarismus

Diese Sichtweise, so die Indologin, führe im Hinduismus zu den Konzepten von Gewaltfreiheit gegenüber Tieren und zum Vegetarismus. So sei beispielsweise Genmanipulation an Tieren in Indien verboten. Auch das Zerschneiden von Fröschen für medizinische Studien sei nicht erlaubt. Grundsätzlich seien Tierversuche verboten.

Und wer in Indien eine Kuh oder ein Kalb töte, dem drohe sogar eine Gefängnisstrafe, berichtete die Wissenschaftlerin.

"Der Mensch darf sich das Tier nicht untertan machen, er darf es nicht töten und essen."

Die Indologin Renate Syed wies außerdem darauf hin, dass es im Hinduismus keine Unterscheidung zwischen Nützlingen und Schädlingen gebe. Diese Wörter existierten im Sanskrit gar nicht. Folglich gebe es auch keine Einteilung in gute, böse oder eklige Tiere.

Vier Personen sitzen auf Stühlen auf einer Bühne. Rechts der Moderator mit rotem Pullover hält ein Mikrophon in der Hand. In der Mitte sitzen zwei Frauen. Links ein Mann.
Podiumsgäste v.l.n.r.: Prof. Dr. Bertram Stubenrauch (Katholischer Theologe), PD Dr. Renate Syed (Indologin), Sarah Virgi (Expertin für islamische Philosophie)

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