An der Sitzordnung auf dem erhöhten Präsidiumstisch der Landessynode wird sich nichts ändern: Annekathrin Preidel behält auch als neue Präsidentin den Platz in der Mitte des Präsidiums und bleibt für weitere gut fünfeinhalb Jahre die zentrale Figur des Kirchenparlaments der 2,3 Millionen bayerischer Protestanten. Nach der Wahl im Eventzentrum Strohofer an der A3, in das die Synode wegen der Corona-Beschränkungen ausgewichen war, kann die 63-jährige promovierte Biologin aus Erlangen weiterhin mit tatkräftiger Energie das große Kirchenprojekt vorantreiben, das sie bereits als Präsidentin der letzten Synode auf die Spur gesetzt hat.

Mit dem großen Reformprozess "Profil und Konzentration" will die Kirche mit ihren Angeboten wieder näher an die Menschen und ihre aktuellen Sorgen und Nöte kommen. Dabei dürfe sich die Kirche, so das unermüdlich vorgetragene Credo der obersten Ehrenamtlichen in Bayern, keinesfalls auf einen "Dienstleistungsbetrieb", wie eine schöne Abwicklung von Taufen und Hochzeiten, beschränken. Im Mittelpunkt müssten vielmehr wieder die christlichen Inhalte stehen, die den Menschen in ihren zunehmend unüberschaubaren Lebenssituationen Orientierung geben. Dadurch können die Kirche wieder zu einem "Leuchtturm im Dunkel der Welt" werden.

Synodalpräsidentin Preidel bleibt im Amt

Ihre Ziele kann die Synodalpräsidentin konsequent, führungsstark und falls nötig robust vertreten. Dabei ist sie jedoch auch eine ausgeprägte Team-Spielerin. So war ihr beispielsweise von Anfang an eine möglichst große Beteiligung aller kirchliche Ebenen bei dem Reformprozess wichtig. "Viele, viele Menschen haben miteinander gesprochen. Es gab zahlreiche Studientage und Workshops vor Ort", zog Preidel ein erstes Resümee. Auf dieser Basis seien dann die konkreten Maßnahmen entwickelt worden.

In der Kirche wirkt Preidel, für die "fromm" und "politisch" keine Gegensätze sind, als Bindeglied zwischen Leitung und Basis, zwischen Gremien und Gemeinden. Sie stammt zwar aus Göttingen und setzt in der fränkisch-dominierten Synode hochsprachliche Akzente, ist aber schon längst im Kirchenvorstand ihrer Heimatgemeinde Eltersdorf fest verortet. Sie weiß deshalb, wie die Mühen und Ebenen im kirchlichen Alltag aussehen. Der Bezug zur Basis ist Preidel ohnehin wichtig - im Gegensatz zu früheren Synodalpräsidenten wurde sie nicht berufen, sondern hat sich tapfer allen Wahlvorgängen gestellt - vom Kirchenvorstand bis in die Landessynode.

Im Kirchenparlament führt Preidel zwar die Tradition fort, dass Frauen als Präsidentinnen an der Spitze stehen. Im Gegensatz zu den meisten ihrer Vorgänger und Vorgängerinnen ist sie jedoch keine Juristin, sondern eine Naturwissenschaftlerin. Deshalb sieht sie auch mit nüchternem, wissenschaftlichem Pragmatismus auf Reizthemen, bei denen gerade in der Kirche die emotionalen Wogen hochgehen. In der Klima-Debatte sind nach ihrer Überzeugung apokalyptische Szenarien oder eine allgemeine Weltuntergangsstimmung "brandgefährlich", weil sie die Menschen blind für die Kraft des Möglichen machten.

Statt einer Radikalisierung und religiösen Überhöhung seien vielmehr kluge Theorien nötige, die zu wissenschaftlichen Erkenntnissen führen könnten. Auch in der Corona-Krise, die sie zwar nicht im Geringsten verharmlosen möchte, tritt Preidel gegen Panik ein: Denn Panik könne statt zu Empathie und Fürsorge zu mehr Distanzierung, Misstrauen und Egoismus führen.

Mit nüchterner Effizient leitet die Naturwissenschaftlerin auch die Tagungen der Landessynode und kanalisiert so Wortbeiträge, wenn sie in akademischen Debatten ausufern. Als Synodalpräsidentin lässt Annekathrin Preidel ihre Familie, den Ehemann und drei inzwischen erwachsene Kinder, völlig außen vor - auch bei Empfängen und gesellschaftlichen Terminen.

Bei allem Pragmatismus setzt sich Annekathrin Preidel mit Herzblut für die Dinge ein, die ihr wichtig sind. Als die Synode endlich den drei Jugenddelegierten, die vorher nur beratende Funktion hatten, das volle Stimmrecht zuerkannte, gab es den größten Beifall von der Präsidentin. Denn die Einbindung der jungen Menschen ist für sie ein wichtiger Schritt, dass aus einer Organisation, die auf Stabilität angelegt sei, eine "agile, lebendige Kirche" wird.