Nürnberg (epd). Die Pressesprecherin der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI), Ellen Wesemüller, warnt Journalisten davor, bei der Fußball-WM in Katar, "jeden Arbeitsmigranten vor die Kamera zu ziehen". Bei einer Diskussion der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur zur Berichterstattung über die Fußballweltmeisterschaft in dem arabischen Land, sagte Wesemüller, am Montagabend im Nürnberger Presseclub, solche Berichte dienten vielleicht einem Reporter dazu, "moralisch in der Sache gut dazustehen". Es setze die Menschen aber einer Gefahr aus.

Wer die Weltmeisterschaft in Katar von Mitte November bis Mitte Dezember deshalb kritisiere, weil sie im Winter oder kurz vor Weihnachten stattfinde, argumentiere "postkolonialistisch", sagte die AI-Sprecherin außerdem. Es gebe genug andere Argumente gegen die Vergabe des Turniers nach Katar. Sie frage sich aber auch, warum in den Medien vorwiegend das Gastgeberland in der Kritik stehe und nicht stärker die Rolle der FIFA hinterfragt werde.

Der Online-Sportjournalist der "Zeit", Oliver Fritsch, fährt mit einem "beklemmenden Gefühl" zur Berichterstattung von dem Fußball-Ereignis, wie er sagte. Es sei noch keine Zustimmung zu der Vergabe in das Land, wenn er dort hinfliege, aber er wolle auch nicht als "Sofa-Moralist" von zu Hause berichten, betonte er. Fritsch sagte, der Sportjournalismus gehe heute, stärker als früher, auf politische und gesellschaftliche Prozesse ein, schreibe etwa von sexuellem Missbrauch oder von Rassismus im Sport.

Auch der Chefredakteur des Sportmagazins "kicker" Jörg Jakob erklärte, seine Redaktion werde mit sieben Mitgliedern in Katar sein. "Das ist nicht vergnügungssteuerpflichtig, aber, nicht hinzugehen ist keine Option". Erst wenn man vor Ort sei, könne man sich ein Urteil über die Umstände dort erlauben. "Aber wir sind uns bewusst, dass das die umstrittenste WM ist, die es je gegeben hat", so Jakob.