München, Online (epd). Laut einer Studie hat sich der Lebensstil und die Lebensqualität vieler Menschen in Deutschland während der Corona-Pandemie dauerhaft verschlechtert. Die Menschen bewegten sich weniger und ernährten sich ungünstiger, heißt es in der am Donnerstag veröffentlichten Studie "Veränderung von Lebensstil und Ernährung vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie", die das Forsa-Institut im Auftrag der Else Kröner-Fresenius-Stiftung durchgeführt hat. Dabei gibt es auch einen Zusammenhang zur seelischen Belastung der Befragten.

Im Vergleich zu einer ähnlichen Befragung von 2021 seien die Ergebnisse nur wenig besser geworden, sagte Hans Hauner, Direktor des Else Kröner Fresenius Zentrum für Ernährungsmedizin (EKFZ) und Professor für Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München (TUM) bei der Vorstellung. Noch immer fühlten sich beispielsweise 62 Prozent der Befragten von der Corona-Pandemie seelisch belastet.

35 Prozent der Befragten gaben an, im Vergleich zur Zeit vor der Corona-Pandemie zugenommen zu haben, und zwar im Mittel um 6,5 Kilogramm. 40 Prozent sagten, sie würden sich weniger bewegen als vor der Pandemie. Menschen mit höherem BMI, weniger Bewegung und seelischer Belastung gaben häufiger an, Gewicht zugenommen zu haben.

Ein knappes Drittel der Befragten aß mehr und häufiger, meist Süßwaren, süße Backwaren, Knabberartikel oder Fastfood. Diese ungünstige Speisenwahl war bei den Erwachsenen, die sich psychisch belastet fühlten, auffällig häufiger als bei den Personen ohne Stressbelastung. Dass Menschen mit seelischer Belastung mehr Alkohol und ungesunde Lebensmittel verzehrten, habe sich somit während der Pandemie erneut deutlich gezeigt, sagte Hauner. Durch die Gewichtszunahme und ungesunde Ernährung vieler Menschen sei eine Zunahme chronischer Wohlstandskrankheiten wie Diabetes zu erwarten. Übergewichtige Menschen hätten außerdem ein schwächeres Immunsystem und seien somit anfälliger für Infektionskrankheiten wie etwa Corona.

Allerdings haben auch 15 Prozent der Erwachsenen seit Beginn der Corona-Krise zum Teil deutlich abgenommen, im Durchschnitt 7,9 Kilogramm. Erstaunlich sei, dass viele junge schlanke Erwachsene abgenommen hätten, sagte Martina de Zwaan, Leiterin der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover. Dies könne auf eine gesündere Lebensweise hindeuten, weil das Leben weniger hektisch gewesen sei, die Menschen mehr selbst kochten und weniger Mahlzeiten außer Haus zu sich nähmen.

Man könne aber nicht ausschließen, dass darunter auch Menschen seien, die ungesunde Verhaltensweisen angenommen haben, sagte de Zwaan. So habe sich etwa laut anderen Studien die Anzahl der stationären Aufnahmen wegen Essstörungen deutlich erhöht. Dies sei unter anderem auf den Verlust von gewohnten und haltgebenden Strukturen und die soziale Isolation zurückzuführen.

Hauner und de Zwaan fordern mehr Engagement von Politik und Gesellschaft, um die Bevölkerung besser über die Gefahren durch ungesunde Ernährung und Übergewicht zu informieren. Es brauche eine gebündelte Aktion des Bundesgesundheitsministeriums, um unter anderem die bereits bestehenden Angebote bekannt zu machen. Außerdem müssten bei erkrankten Menschen Ernährungsberatungen von den Krankenkassen bezahlt werden. Bei Magersucht sei vor allem ein früher Therapiebeginn notwendig.

Hauner kritisierte, dass es in Deutschland fast keine Daten und systematischen Erhebungen zu Auswirkungen der Corona-Pandemie gebe. Dies könne man mit der Studie sicher nicht ersetzen, sie könne aber Hinweise darauf geben, wie es in der Bevölkerung aussehe nach zwei Jahren Corona-Pandemie.

Für die Studie wurden insgesamt 1005 nach einem systematischen Zufallsverfahren ausgewählte Personen zwischen 18 und 70 Jahren in Deutschland repräsentativ befragt. Die Erhebung wurde vom 25. Mai bis 2. Juni 2022 durchgeführt.