Weltweite Sklaverei und Menschenhandel haben Experten zufolge ein bislang unerreichtes Ausmaß angenommen. Noch nie habe es auf der Erde so viele Sklaven gegeben wie derzeit, sagte Martin Lewerentz in einem Gespräch zum Tag der Abschaffung der Sklaverei am 2. Dezember.

Weltweit seien schätzungsweise 50 Millionen Menschen versklavt, in Europa seien es zwei Millionen, erklärte der Vertreter der Menschenrechtsorganisation International Justice Mission (IJM):

"Sklaverei ist ein Problem von schwachen Rechtsstaaten"

Das Problem gebe es vor allem dort, wo Menschen keinen Zugang zu ihren Rechten hätten. Laut Definition gelte ein Mensch, der wie das Eigentum anderer behandelt würde und seine persönliche Freiheit total verliere, als versklavt. Sklaverei sei aber in keinem Land der Erde erlaubt, so der Experte. Die International Justice Mission setze sich für die Verurteilung von Tätern und für die Stärkung von Rechtssystemen ein.

IJM-Sprecher sieht gute Chancen für Verbesserungen

Der IJM-Sprecher sieht jedoch gute Chancen für Verbesserungen. In ihren 16 Einsatzländern kläre die Organisation darüber auf, wie das Rechtssystem gestärkt werden könne oder biete Schulungen für Sicherheitsbehörden an. Dadurch sei dort die Zahl der Verbrechen von Menschenhandel oder Sklaverei um bis zu 85 Prozent gesenkt worden, sagte Lewerentz. Man habe beispielsweise in der Dominikanischen Republik ein Verbot von Kinderheiraten erreicht und damit dort das Problem der sexuellen Ausbeutung von Kindern stoppen können.

Sklaverei sei keine unüberwindliche Herausforderung, ist Lewerentz überzeugt, der Kampf dagegen "lohnt sich". Man müsse den Menschen aber bewusst machen, dass das Thema auch mit dem eigenen Konsum und Kleiderschrank sowie mit Lieferkettengesetzen zu tun habe.

Sklaverei: So ist die Lage in Deutschland

In Deutschland hat in diesem Jahr erstmals das Deutsche Institut für Menschenrechte einen Bericht zum Menschenhandel vorgestellt. Jeden Tag werden in Deutschland drei Fälle von Menschenhandel festgestellt, heißt es im Bericht. Aus dem Bundeslagebild "Menschenhandel und Ausbeutung 2023" des Bundeskriminalamts (BKA) geht hervor, dass die Zahl der Ermittlungsverfahren im Bereich der Arbeitsausbeutung in Deutschland in den vergangenen fünf Jahren kontinuierlich angestiegen ist und 2023 einen neuen Höchstwert erreicht hat.

Die meisten Opfer gibt es demnach in der Logistikbranche und der Gastronomie. Im Bereich der sexuellen Ausbeutung und Zwangsprostitution habe es einen Rückgang gegeben, so der Bericht.

Bei einem aufgedeckten Fall von Ausbeutung in Franken waren jüngst 20 Personen aus der rumänischen Obdachlosenszene von Menschenhändlern nach Nürnberg und Umgebung gelockt worden, wo sie ohne oder für geringen Lohn arbeiten und in ungeheizten Garagen schlafen mussten.

"Die organisierte Kriminalität sucht sich ihre Ausbeutungsfelder", stellte Lewerentz fest, "das muss die Gesellschaft erkennen und das Rechtssystem dagegen stärken."

Tätern von gewerbs- oder bandenmäßiger Ausbeutung oder Zwangsprostitution drohten an deutschen Gerichten drei bis sechs Jahre Gefängnis.

Opfer seien in Deutschland vor allem vulnerable Gruppen wie Migranten. Ohne geklärten Aufenthaltstitel hätten viele von ihnen Angst, sich im Falle von Ausbeutung an die Polizei zu wenden, erklärte der IJM-Sprecher.

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