Den Kopf in die Hände, die Ellenbogen auf die Knie gestützt: "Ein bisschen sitzt sie da, als dächte sie: Was mach' ich denn hier?" So beschreibt Richard Hölzl seinen Eindruck von der philippinischen Ahnenfigur, die den Eingang zur Ausstellung ziert. Sie solle die Besucher hineinbegleiten, "aber damit geben wir ihr schon wieder eine Aufgabe", sagt Kurator Hölzl. Es ist nicht so leicht, kolonialistischem Denken zu entkommen. Dabei blickt die hölzerne Figur mit ihren aus Muscheln gefertigten Augen ziemlich gleichgültig drein.
Mit dem Kolonialismus, der in Kunstwerken steckt, und mit seiner eigenen Geschichte beschäftigt sich das Münchner Museum Fünf Kontinente in der Sonderausstellung "Der Kolonialismus in den Dingen", die von Freitag (8. November) bis 18. Mai 2025 zu sehen ist. Gezeigt werden Kunstwerke aus Afrika, Asien und Ozeanien, die in der Kolonialzeit nach München gelangten. Erläutert wird, wie sie während der kolonialen Expansion geraubt, gekauft, getauscht oder als Geschenk angenommen wurden - "wie viel Blut an ihnen klebt", sagt Hölzl.
Auseinandersetzung mit kolonialistischer Vergangenheit
Mit der Schau setzt sich das staatliche Museum zugleich mit seiner eigenen kolonialen Vergangenheit und seinem Selbstverständnis in der Gegenwart auseinander. Laut Provenienzforscher Hölzl geht es dabei um drei Aspekte: Herkunft, Unrecht und eigene Geschichte zu dokumentieren, mit den Herkunftsgesellschaften und ihren Forschenden zusammenzuarbeiten und dem Publikum die Provenienz der Objekte zu vermitteln.
Zu sehen sind Schlüsselwerke der postkolonialen Debatte, wie etwa der Schiffsschnabel der Bele Bele aus Kamerun, um den Verhandlungen mit der kamerunischen Regierung laufen, ebenso wie Kunst, Kulturgüter und Alltagsgegenstände aus Ländern von Tansania über Indien bis zu den Philippinen. Die Sonderausstellung umfasse einen "kleinen Ausschnitt" aus den Sammlungen des Museums, sagt Hölzl. Von den rund 160.000 Stücken des Museums stamme etwa ein Sechstel aus ehemaligen deutschen Kolonialgebieten. Aus einem "gewalttätigen Kontext" kämen nach grober Schätzung mehrere tausend Objekte.
Aktivismus, der einfach die Rückgabe von Kunstwerken an die Herkunftsländer fordere, greift zu kurz, glaubt Hölzl. Die Kunstwerke würden durch ihre kolonial geprägte Geschichte zu historischen Zeugnissen, was einen "dialogischen Umgang" mit den Herkunftsgesellschaften nötig mache. Herauszufinden, woher ein Gegenstand wirklich stamme und unter welchen Umständen er wohin gelangt sei, sei die schwierige Aufgabe der Provenienzforschung. Diese gehöre inzwischen fest zur Museumsarbeit dazu. Es gehe erstmal darum, Transparenz zu schaffen und die Perspektiven zusammenzubringen.
Erster Versuch, Kolonialismus aufzuarbeiten
Nach drei Forschungsprojekten ist die Sonderausstellung laut Museumsdirektorin Uta Werlich ein erster Versuch, das Thema Kolonialismus öffentlich aufzuarbeiten. Das 1862 gegründete Haus durchlief mehrere Wandlungen: von seiner dem Kolonialismus dienenden und seiner ethnografischen Gestalt bis zum Museum für Völkerkunde, wie es bis 2014 hieß.
Die Schau gliedert sich in drei historische Etappen von den frühen kolonialen Aneignungen Mitte des 19. Jahrhunderts über die Zeit deutscher Kolonialherrschaft (1884-1918) bis zum Übergang zu einer verantwortungsvollen Beschäftigung damit. Beleuchtet werden unterschiedliche Kontexte von Kolonialismus, etwa auch die christliche Mission, ebenso wie die strategische Verbreitung der kolonialen Idee über ganz Bayern.
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