Frau Rummel, Sie sind qualifizierte Pilgerbegleiterin und pilgern sowohl privat als auch beruflich für das evangelische Bildungswerk in der Region zwischen Tauber und Aisch – was bedeutet Ihnen das Pilgern?

Ich pilgere seit 15 Jahren und Pilgern ist ein absolutes Leidenschaftsthema für mich. Ich sage immer, wenn man sich einmal mit dem Virus angesteckt hat, wird man ihn nicht mehr los. Im Gehen kann ich mit Menschen über Themen ins Gespräch kommen, die man sich im Alltag vielleicht nicht trauen würde anzusprechen und es redet sich leichter. Das liegt an der Natur, am Unterwegssein und auch daran, dass man sich nicht in die Augen schauen muss. Man weint auch leichter.

Jetzt haben Sie zum ersten Mal selbst einen Pilgerweg entwickelt, der auch als Innovationsprojekt (MUT) von der Evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern gefördert wird.

Genau, ich wurde 2023 angefragt, ob ich mir vorstellen könnte, einen Pilgerweg in der Nähe von Burgbernheim zu gestalten. Dort gestaltet das evangelische Bildungswerk eine Sitzskulptur mit dem Namen "Himmelsbahnen Berna" – also eine Bank, die aussieht wie ein Bahngleis und sich um einen Baum den Hang hoch schlängelt. Zusätzlich war die Idee, rundherum zwei Pilgerwege zu schaffen. Hier komme ich ins Spiel.

Und was ist nun aus den Plänen geworden?

Gemeinsam mit einem ganz tollen Team von Ehrenamtlichen aus der Umgebung bin ich das Ganze erstmal abgelaufen. Am Ende haben wir uns dann überlegt, dass wir bestehende Wege nehmen und von Bahnhof zu Bahnhof pilgern. Das klingt jetzt vielleicht aufs erste nicht so passend, ist aber wirklich klasse.

Jetzt ist es eine Kooperation geworden aus dem Bildungswerk, der Stadt, dem Hospizverein vor Ort und der Kirche, das klappt richtig gut. Wenn wir etwas brauchen, dann rufen wir dementsprechend jemand an und kriegen sofort Unterstützung, das ist echt eine große Hilfe.

Wie kann man sich die Pilgerwege vorstellen?

Die zwei Strecken sehen wie eine liegende Acht aus. Auf der einen Seite ein Bahnhof, in der Mitte und am Ende ebenfalls einen. Das Tolle ist, dass man dadurch nicht nur super anreisen, sondern die Strecke auch abkürzen kann, indem man an einem der Bahnhöfe stoppt. Die Haltestellen liegen mitten im Wald, da ist nicht viel Infrastruktur drumherum.

Und es gibt überall Ruhebänke, das ist ein großer Glücksfall, denn man kann überall verweilen und hat einen tollen Ausblick bis zum Steigerwald. Den einen Weg geht man etwa drei Stunden, den anderen gut zweieinhalb, die lassen sich locker miteinander kombinieren. Zusammen sind es etwa 12 Kilometer. Aber ich glaube, dass die Leute vor lauter Gucken nicht so schnell unterwegs sein werden.

Das klingt jetzt erstmal wie ein normaler Wanderweg. Was ist aber das Besondere an diesen neuen Strecken?

Beim Pilgern ist es so, dass wir die Leute mit Impulsen gerne in einen Prozess bringen wollen, über sich und ihr Leben nachzudenken. Es gibt auch Streuobstwanderwege in der Gegend und die sind hervorragend gestaltet, aber wir wollten dem Ganzen auch einen inneren Sinn geben.

Deshalb haben wir sowohl Flyer als auch eine App zu den Wegen gestaltet, die die Menschen an die Hand nehmen, sodass sie an bestimmten Plätzen über einen Impuls nachdenken können. Diese Impulse sind überwiegend biografisch, aber teilweise auch christlich.

Die Pilgerwege haben dabei Überthemen – der eine das Thema "Lebensübergänge", der andere das Thema "Perspektiven". Wir wollen aber künftig noch weitere Themen für die Strecken entwickeln, zum Beispiel zur Trauerarbeit. Dann hat man zu jedem Thema einen extra Flyer und verschiedene Möglichkeiten, den gleichen Weg zu gehen.

Wie sieht so ein Impuls zum Beispiel aus?

Der Weg ist generell sehr bewaldet und wenn man zum Beispiel von Steinach aus ins Tiefenbachtal geht, dann gibt es dort einen Bach, an dem ein riesiger Baum ist. Der hat eine Wurzel, die ist ausgeschwemmt, also man sieht die Wurzel, die ins Wasser reicht, aber nicht mit Erde bedeckt ist.

An diesem Halt gibt es einen Impuls zum Überthema "Lebensübergänge", da überlegen Sie mal, wo Ihre Wurzeln sind. Was hat Sie geprägt in Ihrem Leben und was gibt Ihnen Halt? Und mit diesem Gedanken geht man schweigend weiter.

Und es gibt auch christlichen Elemente unterwegs?

In Burgbernheim führt der Weg an einer Kirche vorbei, die den ganzen Tag offen ist. Das war mir auch ganz wichtig, dass es diesen Stopp gibt. In der Kirche gibt es einen Kerzenbaum, wo man Kerzen anzünden kann für das, was einem gerade schwerfällt oder für einen Mensch, der gerade krank ist. Es liegt zusätzlich ein Text aus und der Gedanke ist, dass die Kerze anschließend für das Anliegen weiterbrennt und man mit Gottes Segen weitergehen kann.

Das ist natürlich kein Zwang, aber ich merke das bei den Pilgertouren, die ich sonst so mache, dass auch die kirchenfernen oder weniger christlich angehauchten Leute hinterher sagen, dass dieses Sitzen und Schweigen miteinander oder das Singen dann auch in der Kirche ihre Seele bewegt hat. Das gibt mir Trost, das hat mir geholfen, sagen sie.

Sie haben eine App erwähnt, was gibt es denn für digitale Möglichkeiten?

Wir sind in der großartigen Lage, dass der Naturpark Frankenhöhe in Colmberg angeboten hat, dass wir in ihrer App eine Seite kriegen. Die heißt Lebensübergänge und zeigt zum Beispiel auch den Baum sowie die Fotos zu den anderen Impulsen.

Auf dem Flyer und auf unserer Homepage ist ein QR-Code, über den man zu der App kommt. Dort wird die Strecke gezeigt, die Fotos und die Impulse zu den Haltepunkten. Irgendwann vielleicht auch noch Musik, Sprachnachrichten und etwas Interaktives.

Was erwartet Menschen, die sich auf diesen Pilgerweg begeben?

Ich wünsche mir, dass die Menschen zur Ruhe finden in dieser wunderschönen Natur und dass sie sich trauen in eine Kirche zu gehen und da eine Besinnung haben können, dass sie raus aus dem Alltag kommen. Und mal nach dem Gucken, was in ihrem Herzen, in ihrer Seele noch ist außer dem Getriebensein.

Für wen sind die Pilgerwege geeignet?

Für alle Menschen, man braucht nix extra. Einfach gute Schuhe, wetterentsprechende Kleidung und einen kleinen Rucksack mit Versperle und was zu trinken mitnehmen, Flyer oder App in die Hand nehmen und loslaufen. Wir begleiten das Pilgern aber gerne auch für Gruppen an, sodass ich als Pilgerbegleiterin mitlaufe und die Impulse gestalte – zum Beispiel für Frauenkreise, Kirchenvorstände, etc.

Die Flyer liegen auf der Stadt in Burgbernheim, man kann sie im Bildungswerk bekommen und auch die Dörfer und Kirchengemeinden rundherum sind damit bestückt.

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