Dass das zentrale Dokumentationszentrum zur Erinnerung an die NSU-Morde in Nürnberg entstehen soll, hat für Überraschung in der Stadt gesorgt. "Wir hatten an das Thema eigentlich schon einen Haken gemacht", sagte die Leiterin des Nürnberger Menschenrechtsbüros, Martina Mittenhuber, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Ursprünglich sei Berlin als Standort favorisiert worden, auch für die Strahlkraft eines solchen Erinnerungsortes.

"Das ist für Nürnberg jetzt eine Riesenchance und ich glaube, das haben wir auch verdient, weil wir so viel Vorarbeit geleistet haben."

Im Anfang April veröffentlichten Koalitionsvertrag der künftigen Bundesregierung aus Union und SPD wurde festgelegt, dass das zentrale NSU-Dokumentationszentrum nach Nürnberg kommen soll. Dort soll an die zehn Menschen erinnert werden, die der "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) zwischen 2000 und 2007 ermordet hatte. Neun der Opfer hatten einen Migrationshintergrund. Erst nach dem Auffliegen der Terrorzelle im Jahr 2011 erkannten die Ermittler die rassistischen und rechtsextremistischen Motive. In Nürnberg erschossen die NSU-Täter drei Menschen, eine weitere Person wurde bei einem Bombenanschlag schwer verletzt.

Besondere Verantwortung für Angehörige der NSU-Opfer

Eine besondere Verantwortung sieht Mittenhuber nun gegenüber den Angehörigen der NSU-Opfer. Nachdem bereits die letzte Bundesregierung das Ziel eines Dokumentationszentrums im Koalitionsvertrag festgehalten und nicht umgesetzt habe, "wäre es ein Schlag ins Gesicht, wenn es jetzt wieder nicht klappen würde".

In Nürnberg sei bisher jede Entscheidung, egal ob zum bereits bestehenden Gedenkort oder zu Straßenumbenennungen, in "engster Abstimmung" mit den Familien geschehen. "Es sind Existenzen zerstört worden, diese Taten haben so viel seelisches Leid verursacht", sagte Mittenhuber. Daher müsse man auf die Wünsche der Angehörigen eingehen.

Wichtig sei ihr auch, dass die Bundeseinrichtung an die lokalen Strukturen angebunden werde. In den letzten 15 Jahren sei viel Arbeit von der Zivilgesellschaft sowie der Stadt geleistet worden. "Das soll anerkannt und gefördert werden, damit diese lokal gewachsenen und spezifischen Aktivitäten weitergehen können", sagte Mittenhuber.

Wie es weitergehen soll

Ein möglicher Weg sei, im neuen Dokuzentrum Räume dafür bereitzustellen. Ein weiterer großer Wunsch sei, dass auch die anderen betroffenen Städte beteiligt würden. Die Zentrale könne mit Dauerausstellung und Archiv in Nürnberg sein, aber auch andere Städte, in denen es NSU-Morde gab, wie etwa Kassel, München oder Hamburg, sollten Personalstellen für die Aufarbeitung und Erinnerung bekommen.

Auch mit der Stadt Chemnitz, wo sich eine zivilgesellschaftliche Initiative für den Aufbau eines eigenen, lokalen Dokumentationszentrums zum NSU-Komplex entschieden hat, arbeite man zusammen. Dass in Sachsen, von wo aus die rechtsextreme Terrorgruppe agierte, ein eigener Erinnerungsort entsteht, sei nachvollziehbar. "Aber da wissen wir noch gar nicht, wie es weitergeht und ob es eine Art Zweigstelle des Bundesdokuzentrums wird. Es wäre jedenfalls ein Jammer, wenn es da nicht weitergehen würde", sagte Mittenhuber.

Als nächster Schritt müsse sich die Stadt Nürnberg für einen passenden Standort für das neue Dokuzentrum entscheiden. "Dafür müssen wir aber wissen, um welche Größenordnung es geht", gibt Mittenhuber zu bedenken. Die Expertise sei jedenfalls vor Ort: "Im besten Fall wird es ein Begleitgremium aus Nürnberg geben, das unsere Anforderungen einbringt."

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden