Der Frankfurter Stadionpfarrer Eugen Eckert sieht einen Boykott der in zwei Wochen beginnenden Fußball-Weltmeisterschaft in Katar kritisch. Das Gastgeberland habe beim strittigen Thema Arbeitnehmerrechte Fortschritte gemacht, sagte Eckert dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Er warnte davor,

"mit einem europäischen oder deutschen Hochmut an die Dinge zu gehen, die sich zum Positiven verändern".

Der WM-Gastgeber wird vor allem für seinen Umgang mit Arbeitsmigranten und sexuellen Minderheiten kritisiert.

Positive Entwicklungen bei den Arbeitsbedingungen

Eckert verwies auf eine Initiative der früheren Frankfurter Sportdezernentin und heutigen Transparency-International-Mitarbeiterin Sylvia Schenk, bei der er selber und der ehemalige IG-BAU-Vizechef Dietmar Schäfers mitmachten. Diese Initiative habe eine positive Entwicklung bei den Arbeitsbedingungen in dem arabischen Land festgestellt.

"Wir konnten dazu beitragen, dass das Kafala-System, also praktisch die Leibeigenschaft, rechtlich jedenfalls zum Ende gekommen ist."

Der Stadionpfarrer stützt damit in Teilen die Einschätzung von Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (beide SPD), die jüngst gesellschaftliche Fortschritte in Katar ausgemacht hatten.

Droht Homosexuellen Gefängnis?

Zweifel meldete er aber an einer Sicherheitsgarantie an, die Faeser nach einem Katar-Besuch etwa für homosexuelle Paare in dem Wüsten-Emirat verkündet hatte. "Dass dieser Schutz zugesagt wird, ist erstmal eine wichtige Aussage", sagte Eckert. Er verwies aber zugleich auf die geltende Rechtslage in Katar, die bis zu sieben Jahre Haft für Homosexuelle vorsehe. Er wisse nicht, "wie es jetzt zu einer Regierungserklärung jenseits der Gesetzeslage kommen kann".

Den Zeitpunkt der WM vorwiegend im Advent bewertete Eckert einerseits kritisch, wies andererseits aber auch darauf hin, dass solche Turniere bereits im Ramadan ausgetragen worden seien. Während des islamischen Fastenmonats verzichten gläubige Muslime tagsüber auf jegliche Nahrung inklusive Trinken, was sie laut Eckert körperlich schwächt.

Das Eröffnungsspiel am Ewigkeits- oder Totensonntag "werde ich ganz bestimmt nicht gucken", kündigte der Stadionpfarrer an.

"Da gehe ich zum Grab, zünde Lichter an bei meinen Angehörigen." Wie er sich danach verhalten werde, "vor allen Dingen wenn die deutsche Mannschaft deutlich weiter kommt, kann ich noch nicht beschwören".

Sportbeauftragter: "Kirche kommt gegen Fußball nicht an"

Auch der Sportbeauftragte der pfälzischen Landeskirche, Pfarrer Ralf Neuschwander, hält nichts von der Idee, die Kirche könne zum Boykott der Übertragungen der Spiele aufrufen. Er hofft jedoch, dass die Fifa nach der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar die Standards für die Vergabe des Turniers ändert.

Sportbeauftragter der pfälzischen Landeskirche Ralf Neuschwander

Dass die WM in dem Emirat öffentlich kritisiert werde, sei wichtig und richtig, sagte Neuschwander im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Speyer.

Die Begeisterung für den Fußball sei nicht totzukriegen, sagte Neuschwander. Daran änderten auch die Austragung der WM in der kalten Jahreszeit, die Menschenrechtsverletzungen und die grausamen Arbeitsbedingungen von Fremdarbeitern in Katar nichts.

Wenn die Kirche zum Boykott der Übertragungen aufriefe, werde sie zur Lachnummer.

"Kampagnenfähig ist die Kirche schon lange nicht mehr."

Proteste gegen die WM seien dennoch wichtig, weil sie dem Geschäftsmodell der Fifa und des DFB schadeten. Beide Verbände seien keine Menschenrechtsorganisationen und stärker am Kommerz interessiert als am Sport, sagte Neuschwander.

Gelbe Karte für die Fifa

Wenn die Sponsoren wegen ihres Engagements bei einer derart umstrittenen WM ins Zwielicht gerieten, gefährde dies das gesamte Geschäftsmodell der Fifa. "Aus moralischen Gründen wird die Fifa ihre Vergabekriterien nicht ändern, aber vermutlich aus wirtschaftlichen Erwägungen."

Deshalb sollte der Fifa für diese WM nicht die Rote, wohl aber die Gelbe Karte gezeigt werden, sagte Neuschwander. Es müsse klar werden, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer eine WM in einem derart autoritär regierten Land ohne jede Fußballtradition nicht wollten.

Public Viewing in Kirchen?

Das bedeute für Kirchengemeinden, die Veranstaltungen anlässlich der WM planten, flankierend die Missstände in Katar und den Missbrauch des Fußballs für kommerzielle Ziele zum Thema zu machen, sagte Neuschwander. Allerdings geht der Beauftragte nicht davon aus, dass es viele kirchliche Angebote wie Public Viewing in Kirchen geben wird.

"Das ist schon praktisch schwierig, weil es in den Kirchen wegen der Energiekrise kalt ist."

Dass die Spiele im Advent stattfinden, werde die Fußballbegeisterung nicht trüben, glaubt Neuschwander. Er rät daher dazu, kirchliche Veranstaltungen in der Vorweihnachtszeit so zu legen, dass sie nicht mit wichtigen WM-Spielen kollidieren. "Gegen Fußball kommt die Kirche einfach nicht an."

Die WM beginnt am Ewigkeitssonntag, 20. November, und endet am vierten Advent, 18. Dezember. Anfang November hatte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) Austragungsort und Zeitpunkt des Turniers in einem Brief an den Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Bernd Neuendorf, scharf kritisiert.