Die Position der Diakonie zum assistierten Suizid ist sehr differenziert. Sie wollen keine moralische Überhöhung, sondern überlassen die Entscheidungen im Einzelfall den einzelnen Einrichtungen und den direkt Betroffenen. Soll das Individuum und seine freie Entscheidung im Mittelpunkt stehen?

Sandra Schuhmann: Für die Diakonie ist ganz klar die Maßgabe, dass wir für das Leben stehen, wir beraten für das Leben, aber wir begleiten auch bis zum Schluss. Das ist das Wichtige an unserem Positionspapier.

Das heißt, wenn ein Mensch sich entscheidet, selbstbestimmt aus dem Leben gehen zu wollen, braucht es erst mal vorher eine große Menge an Angeboten, um festzustellen, ob man ihm vielleicht nicht noch mal anders helfen kann.

Am Schluss müssen wir aber auch sagen, dass wir niemanden unseres Hauses verweisen, wenn er sagt, er möchte assistiert sterben.

Wie haben Sie die Haltung der einzelnen Synodalen in Bezug auf das Positionspapier erlebt? Gab es überwiegend Zustimmung oder eher Skepsis?

Das Papier der Diakonie Bayern ist erstmal nur eine Arbeitshilfe in der Auseinandersetzung, ergänzend zur Handreichung "Meine Zeit steht in Gottes Händen", die über die evangelische Kirche herausgegeben wurde. In Einzelgesprächen habe ich ausschließlich Zustimmung erhalten. Viele haben mir mitgeteilt, dass gerade der christliche Kontext und die christliche Basis unseres Papiers sehr einleuchtend sind. Genauso wie unsere Grundhaltung, dass wir für das Leben stehen: Es braucht wesentlich mehr Angebote für das Leben als für das Sterben.

Sehen Sie die Gefahr, dass sich manche Mitarbeiter überfordert fühlen könnten, wenn Ihnen so eine schwerwiegende Entscheidung selbst in die Hände gelegt wird?

Die grundsätzliche Entscheidung, ob assistierter Suizid in einer Einrichtung überhaupt möglich sein soll, wird ja nicht einzelne Mitarbeitern in die Hände gelegt, sondern es findet ein breit angelegter Beteiligungsprozess in den Einrichtungen statt, der schon bei uns in der Diakonie passiert, wo sich gemeinsam überlegt wird, wie wir mit dem Thema selbstbestimmtes assistiertes Sterben in unserer Einrichtung umgehen wollen.

Ganz wichtig ist dann, dass niemand unserer Mitarbeitenden dazu gezwungen werden darf, beim Suizid dabei zu sein, sondern wenn, dann muss das aus einer inneren Haltung heraus passieren.

Wie begleiten und unterstützen Sie Mitarbeitende und einzelne Einrichtungen genau?

Beispielsweise über unsere Fachverbände, also den Zusammenschluss unserer Mitglieder mit eigenen Geschäftsführungen. Da haben sich drei zusammengeschlossen und beispielsweise schon mal eine Arbeitshilfe entwickelt, mit ganz konkreten Fragebögen und Fragestellungen, die man mitnehmen kann in die Auseinandersetzung in der Einrichtung. Und natürlich können Einrichtungen an uns im Landesverband wenden, wenn sie sich eine seelsorgerliche Begleitung oder Hilfe in der Organisationsentwicklung wünschen.

Was wünschen Sie sich von der Politik?

Auf politischer Ebene fordert die Diakonie von der Politik eine klare Regelung zum assistierten Suizid, mit inbegriffen eine verpflichtende Beratung und Ausführung nur durch Fachpersonal. Für mindestens ebenso wichtig halten wir aber ein Gesetz zur Suizidprävention. Denn, wie gesagt: Das Leben hat Vorrang.

Erwarten Sie, dass auf Bundesebene bald eine Entscheidung getroffen wird?

Darauf hoffen wir. In einem Suizidpräventionsgesetz muss klar festgelegt werden, dass wir eine Beratungsstelle brauchen, an die sich Menschen wenden können.

Selbstbestimmung soll möglich sein, die jeweilige Person soll dennoch nochmal alle Hilfen an die Hand bekommen und Unterstützung erhalten.

Dazu braucht es ein Gesetz, das Maßnahmen wie Beratungsstellen und Unterstützungssysteme auch finanziell ausbaut. Das ist für uns die Hauptsache, denn in der Prävention muss viel mehr geschehen als, wenn jemand die Entscheidung schon getroffen hat.

Assistierter Suizid wird auf der Synode thematisiert. Gesamtgesellschaftlich wird aber ungern darüber gesprochen, oder?

Ich finde es wichtig, dass wir uns trauen, uns mit dem Thema auseinanderzusetzen, um dieses Thema aus der Tabu-Zone zu holen. Das Sterben gehört zum Mensch sein mit dazu, und es gibt Situationen, in denen Menschen sagen, ich kann es nicht mehr ertragen, und da ist es wichtig, wertfrei und vorurteilsfrei mit diesen Menschen ins Gespräch zu kommen.

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden