Zu Paulus habe ich ein ambivalentes Verhältnis (genauso wie zu Luther). Einerseits ist mir seine Theologie wichtig, sein Kirchenideal ist total offen. Sie kann sich allen Kulturen und Situationen anpassen. Sie setzt sich über alle geschlechtlichen und sozialen Hierarchien hinweg.

Durch Christus wird unser Selbstbezogenheit aufgelöst und wir können uns neu auf G*tt einlassen (G*tt oder Gott* schreibe ich als Erinnerung für mich, dass ich von G*tt nicht in geschlechtlichen Kategorien zu denken brauche). Als christliche Menschen sind wir in einen Raum der Freiheit gestellt, aber wir denken die anderen immer auch mit (sollten wir zumindest).

All das sind Punkte, die ich an Paulus liebe.

Und dann ist da Paulus’ Charakter. Er ist so überzeugt von seiner guten Botschaft, dass er daneben anderes absolut nicht stehen lassen kann. Auf mich macht er den Eindruck, als wäre er, trotz seiner Theologie, total auf sich selbst bezogen. Ich kann mir vorstellen, dass dieses Kämpfen für die erkannte Wahrheit manche Menschen positiv anspricht.

Aber ich frage Paulus oft: "Du sagst selbst, dass wir momentan alles nur verzerrt wahrnehmen können, dass die Wahrheit bei G*tt liegt und erst noch offenbar wird. Deine eigene Gewissheit ist beeindruckend; aber in einer spätmodernen Welt auch gruselig. Wir warten schon zu lange auf die Rückkehr Jesu, als dass wir noch so reden könnten."

Und dann denke ich mir: "Paulus war halt auch nur ein Mensch. Mit Fehlern, Ängsten und seinem Stolz."

Und darauf kann ich dann mit Liebe und Verständnis blicken und sagen: "Danke für Deine theologischen Impulse, die mich auch immer wieder herausfordern und erden."

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