In der neuen Folge des ZDF-Formats "Unbubble" trafen drei bekannte Christfluencer:innen auf drei Menschen, die der religiösen Onlinewelt kritisch gegenüberstehen. Mit dabei: der queere Pfarrer Tim Lahr, der auf Instagram als amen_aber_sexy über Glauben, Toleranz und Vielfalt spricht, Daniela-Marlin Jakobi, ehemalige Christfluencerin und Freikirchen-Aussteigerin, sowie Adrian Rosetta, atheistischer Content Creator. Auf der anderen Seite stehen Toni Dreher-Adenuga (Model und Christfluencerin), Jonathan Albrecht (Christfluencer) und Rubi, eine gläubige Rapperin.
Das Konzept von "Unbubble" ist simpel, aber wirkungsvoll: Den Teilnehmenden werden bis zu 13 Fragen zu einem umstrittenen Thema gestellt. Eine Person antwortet, und die Gegenseite signalisiert Zustimmung oder Widerspruch – indem sie einen Schritt nach vorne oder hinten macht. Ziel ist es, durch Austausch und Diskussion aus der eigenen Bubble herauszutreten, sich anzunähern und andere Perspektiven zu verstehen.
Streitpunkt Glaube als Deckmantel
Schnell wird deutlich, worum es in dieser Episode im Kern geht: Religion als Deckmantel für konservative oder diskriminierende Inhalte. Daniela-Marlin Jakobi betont, sie habe nichts gegen den Glauben an sich – sie sei selbst gläubig –, aber gegen "manche toxische Randerscheinungen, die manchmal mit auftreten".
Auch Adrian Rosetta benennt problematische Beispiele, etwa Profile wie "Liebe zur Bibel" oder "Ketzer der Neuzeit".
Dort würden rechte Narrative reproduziert, die über soziale Medien Millionen Menschen erreichen – und so den christlichen Grundgedanken der Nächstenliebe untergraben. Einig sind sich alle: Das ist gefährlich. Uneinig bleiben sie, wo Meinungsfreiheit endet und Diskriminierung beginnt.
"Drinnen oder draußen" – kein Platz für Grautöne
Daniela-Marlin Jakobi kritisiert das "Drinnen-Draußen-Denken" vieler Gläubigen. Man sei entweder gläubig und dann drinnen und eine gute christliche Person oder du bist es nicht, dann bist du direkt draußen und verloren. Diese Schwarz-Weiß-Logik wolle sie nicht unterstützen.
Christfluencer Jonathan Albrecht bestätigt diese Sicht sogar indirekt: Im Glauben gebe es "ein Entweder-Oder, Himmel oder Hölle – und da gibt es keinen Kompromiss". Die Bibel sei die ganze Wahrheit, an der man sich bedingungslos zu orientieren habe.
"Gott hat mich schwul gemacht"
Ein zentraler Konfliktpunkt entsteht beim Thema Homosexualität. Nach Albrechts Bibelauslegung ist Homosexualität "eine Rebellion gegen Gott" und damit eine Sünde. Für Tim Lahr, der selbst schwul ist, ist diese Aussage tief verletzend: Er sagt, er habe sich das nicht ausgesucht – "Gott hat mich schwul gemacht."
"Es gibt schon genug Diskriminierung von queeren Menschen in der Gesellschaft. Wenn das dann auch noch aus der christlichen Bubble kommt, wo Nächstenliebe groß drübersteht – das verletzt einfach", erklärt Lahr. Albrecht erkennt das jedoch nicht als Diskriminierung an. Der Moderator muss schließlich eingreifen, da klar wird: Dieser Konflikt lässt sich nicht lösen.
Christfluencerin Toni Dreher-Adenuga wirkt hier offener. Sie betont, Bibelstellen müssten stärker im Kontext gelesen werden: "Jesus hat gesagt: Geht und verkündet die frohe Botschaft – nicht: Geht und zeigt mit dem Finger auf Leute."
Jakobi berichtet von ihren Erfahrungen in einer Freikirche, wo mit Angst und Schuldgefühlen bekehrt worden sei. "Ich dachte, wenn ich nicht nach den Vorschriften der Kirche lebe, komme ich in die Hölle. Mit dieser Angst wurde bewusst gespielt." Für sie ist das Teilen des Glaubens auf Social Media in Ordnung – solange keine versteckte Missionierung dahintersteht. Inspiration ja, Manipulation nein.
Streit um Drag-Queens
Einer der heftigsten Momente entsteht, als Jonathan Albrecht ein Video verteidigt, in dem er einen Auftritt von Drag-Queens bei einem Berliner Sommerfest als "gefährlich" bezeichnet – er fürchte eine "Frühsexualisierung von Kindern".
Tim Lahr und Adrian Rosetta widersprechen entschieden: Die Drag-Queens seien keineswegs halbnackt gewesen, sondern hätten eine harmlose, unterhaltsame Show gemacht. Lahr meint, dass was Jonathan hier tue sei die Reproduktion rechter Narrative – und das befeuere Hetze gegen queere Menschen.
Trotz der Aufklärung bleibt Albrecht unnachgiebig: "Jeder hat seine eigene Messlatte, was er für gefährlich hält […] Wenn das aus deiner Sicht rechtsradikal ist, dann ist das eben so." Toni Dreher-Adenuga versucht zu vermitteln: Sie kenne zwar auch Drag-Performances mit blasphemischen Elementen, wolle aber nicht "alle über einen Kamm scheren". Viele Drags leisteten wichtige Aufklärungsarbeit – vor allem im Hinblick auf queere und Schwarze Communities.
Kompromiss in Sicht?
Am Ende dürfen beide Gruppen einen Vorschlag formulieren, wie Annäherung gelingen könnte. Das Ergebnis: Christfluencer:innen dürfen und sollen über Nächstenliebe und Glauben sprechen – aber mit Selbstkritik, Sensibilität und Machtbewusstsein. Nächstenliebe müsse immer auch den Schutz marginalisierter Gruppen einschließen.
"Unbubble" zeigt, wie schwer echte Verständigung ist – und wie wichtig sie wäre. Auch wenn sich die Fronten zwischen Jonathan Albrecht und den Kritiker:innen kaum auflösen lassen, funktioniert das Konzept: Menschen begegnen sich, hören einander zu und geraten ins Nachdenken.
Das Format hat bereits über Themen wie Männlichkeit, Abtreibung, Tierliebe, Generationenkonflikte, Superreiche oder TikTok diskutiert – immer mit dem Ziel, zu zeigen, dass Dialog der erste Schritt aus jeder Bubble ist.