Hatten Sie als Kind auch so einen persönlichen Schatz? Irgendeine gut versteckte kleine Dose oder eine im Garten vergrabene Holzkiste, von der niemand wissen durfte und die Sie sorgfältig gehütet haben? Da drin war vielleicht ein Glitzerstein, eine am Strand gefundene Muschel, eine besondere Feder oder auch nur ein Ring aus dem Kaugummiautomaten. Aber es war Ihr Schatz, den Sie entdeckt und dazu auserkoren hatten. Ihr persönliches Geheimnis.

Schätze sind etwas Wunderbares! Sie zeigen, was unser Leben reich macht:

etwas Zartes, wie eine Feder, die wir aufbewahren. Oder – wie wir eben gehört haben: ein Kirchenraum, ein Mensch, den Gott uns geschenkt hat, ein Instrument, Musik. Natürlich ist es auch eindrucksvoll, einfach einen Haufen Goldmünzen zu besitzen, mit der Hand in den Berg Goldmünzen zu fassen und einmal im Leben so ein Dagobert Duck-Gefühl zu haben. Aber nur viel Geld vor sich zu haben, reicht nicht aus, um von einem Schatz zu sprechen. Es hat schon gute Gründe, dass wir heute bei dem obersten Hüter des Geldes in einem Land nicht mehr von "Schatzkanzler" sprechen, sondern ganz nüchtern vom "Finanzminister".

Anders fühlt es sich schon an, wenn Archäologen einen Schatz im Pharaonengrab entdecken. 43 Amulette, so berichtet die Zeitung, eine vergoldete Mumienmaske und fast 600 kleine Begräbnisstatuen seien auf einem Pharaonenfriedhof in der ägyptischen Provinz Dakahlija gefunden worden. Eines der Amulette zeige eine ungewöhnliche göttliche Dreifaltigkeit mit den Göttern Amun, Horus und Nephthys.

Nicht der Geldwert des Schatzes ist das Entscheidende, sondern der Einblick in die sagenumwobene Welt der Pharaonen und ihrer Götter.

Was glaubten die Menschen damals, woran hingen sie ihr Herz?! Und Märchen und Mythen erzählen: Schatzsuche ist eine spirituelle Reise. Es verändert dich, sobald du dich auf die Suche machst.

Ein Schatz ist schwer zu finden. Geheimnisvolle Schatzkarten müssen entschlüsselt werden. Und wenn man ihn gefunden hat, dann wartet die eigentliche Prüfung oft erst dann noch auf den Schatzsucher. Ein Drache, ein dreiköpfiger Hund, wie bei Harry Potter, oder irgendein anderes Ungetüm, das ihn bewacht, muss erst besiegt werden. Drei Fragen müssen erst richtig beantwortet werden, bevor der Zugang frei wird. Oder das Verhalten des Schatzsuchers wird auf die Probe gestellt, bis er sich des Schatzes als würdig erweist. Achtet er zum Beispiel das Kleine und Geringe?

Und wenn er den Schatz dann gefunden hat, ist es keineswegs immer Geld, das ihn erwartet. Parsifal findet den Gral, der wundersame Kräfte besitzt, Harry Potter den Stein des Weisen, der zu einem längeren Leben verhilft und im Grimmschen Märchen ist es die Kristallkugel, die die von einem Zauberer verfluchte Königstochter erlöst und wieder in ihrer wahren Schönheit sichtbar macht. Es geht um Lebenssinn, es geht um Weisheit und Erlösung.

Es ist faszinierend, wie ein Satz aus dem Kolosserbrief nun all das, was wir von Schätzen wissen, aufnimmt, um uns etwas über Christus zu sagen.

"In ihm liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis."

Christus – nichts weniger sagt dieser Satz – ist der Schlüssel dafür, dass wir die Schätze entdecken, die für unser Leben wirklich zentral sind. Ausgerechnet Christus soll der Schlüssel sein! Ausgerechnet derjenige, der als Mensch sich nicht wie in den Märchen als der Königssohn gezeigt hat, der dann die schöne Königstochter erringt. Sondern als einer, der am Kreuz landet und in den letzten Stunden vor seinem Tod die Schmährufe der Soldaten um sich herum ertragen muss.

Dass gerade diese Geschichte in den Kern menschlicher Existenz hineinspricht, aus dem die Märchen und Mythen ja auch erzählen, zeigt eine Erkenntnis, die der Mythenforscher Joseph Campbell aus seiner viele Jahre langen Beschäftigung mit den Mythen gezogen hat:

"Nur wenn wir in den Abgrund hinabsteigen, finden wir die Schätze unseres Lebens. Dort, wo Du stolperst, liegt Dein Schatz. Genau die Höhle, die Du Dich fürchtest zu betreten, erweist sich als Quelle dessen, was Du suchst."

Ich habe heute einen Stein mitgebracht aus der Schatzsammlung meiner Frau, der das sichtbar macht. Von außen sieht er schmucklos, ja fast hässlich aus. Und innen drin ist er voller wunderschöner Kristalle. Ein Gleichnis für Christus, in dem alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen liegen.

Ja, ich verstehe jetzt, was dieser Satz in seiner ganzen Tiefe meint: Schaut auf Christus! – schärft er uns ein. Lasst Euch auf ihn ein! Hört, wie er gelebt hat! Spürt die Kraft, die entsteht, wenn zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind und er – wie jetzt - mitten unter Euch ist! Öffnet Euer Herz für die radikale Liebe, die er ausstrahlt und die Euch einen tiefen Frieden mit Gott und mit Euch selbst spüren lässt!

Lasst ihn auf Euch wirken und entdeckt die Schätze, die dann sichtbar und spürbar werden!

Vielleicht sind Ihnen schon einige geistliche Schätze durch den Kopf gegangen, die sich erschließen, wenn wir auf Christus schauen.

Ich denke vor allem an biblische Texte, die ich liebe. Als Kind waren es die Jesusgeschichten. Als Jugendlicher waren es vor allem die Texte aus der Bergpredigt: Selig sind die Friedensstifter! Liebet eure Feinde! Das Provokante, das Engagierte, Leidenschaftliche, habe ich gemocht und das mag ich bis heute an diesen Texten. Sie verlieren ja nicht an Aktualität. Sie sind die stärkste Lebensgrundlage, die ich mir vorstellen kann.

Doch es gibt auch biblische Texte, da muss man graben, dranbleiben, bis sie ihre Kraft entfalten und sich als Schatz erweisen – wie der Kristall in seinem grauen Gesteinsmantel. Psalmen etwa, wenn sie so eindeutig von Feinden reden und von Gott deren Vernichtung fordern und erbitten. Manchmal ist es auch ein Wort von Jesus: Wenn er sagt, "Ich bin nicht gekommen Frieden zu bringen, sondern das Schwert". Und ich weiß, für viele Menschen ist das Kreuz als Geheimnis der Erlösung erst mal so etwas wie ein grauer Stein, der sich nur kalt anfasst und seine kristallklare schöne Seite nicht zeigt. Und irgendwann wird sie sichtbar, diese schöne, kraftvolle Seite. Der Glaube ist eine lange Reise, liebe Gemeinde. Ein Gang in die Tiefe.

Genau die Höhle, die Du Dich fürchtest zu betreten, erweist sich als Quelle dessen, was Du suchst.

Dann zu merken, wie sehr die Worte Jesu und so viele andere Worte der Bibel mitten hineinsprechen in mein Leben – das ist ein besonderes Glückserlebnis. Und wie sie mitten in das Leben der heutigen Menschen hinein sprechen, vielleicht gerade dann, wenn sie noch nie wirklich etwas davon gehört oder den Kontakt dazu verloren haben. Die Bibel – davon bin ich zutiefst überzeugt – ist der größte Türöffner für menschliches Glück, den es gibt.

Dass wir gut mit unseren Mitmenschen auskommen, sie achten und nicht nur unsere eigenen Interessen sehen, sondern auch die unserer Mitmenschen – das ist Glück nach biblischen Maßstäben, das ist Weisheit.  Das Christentum hat dafür eine Regel formuliert, die fast alle Menschen kennen, egal ob sie gläubig sind oder nicht:

Liebe deinen Nächsten wie Dich selbst.

Die meisten Menschen würden sagen: Ja, das ist eine gute Regel für ein erfülltes Leben. Aber wie macht man das, wenn der Andere nur noch nervt, wenn man den anderen eigentlich nicht riechen kann oder wenn sich die Zuneigung zu einem Menschen plötzlich dreht und man eigentlich nichts mehr mit ihm zu tun haben will?

In den Dörfern rund um den Hesselberg haben Sie sich der Herausforderung gestellt, Menschen aufzunehmen, die aus Syrien, Afghanistan und anderen Ländern geflohen sind vor Krieg und Gewalt. Keine leichte Aufgabe. Wie werden sie integriert in die Dorfgemeinschaft? Wie finden sie sich ein in eine fremde Kultur? Auch Menschen können wie ein verschlossener grauer Stein sein füreinander. Fremd, abweisend. Am Anfang sieht man nur das Bedrohliche.

Hier kommt das ins Spiel, was mit dem alten Wort "Frömmigkeit" gemeint ist, das zwar alt klingt, aber alles andere ist als ein Auslaufmodell, sondern in Wirklichkeit ein absolutes Zukunftsmodell. Denn als Christen glauben wir, dass uns in dem Anderen nicht nur irgendein Mensch begegnet, sondern Gott selbst. Das ist die unglaubliche Behauptung des christlichen Glaubens. Gott wird Mensch und begegnet uns heute in unserem Mitmenschen. Deswegen:

Wenn ich zu Gott bete, wenn ich tief in der Seele in Kontakt mit Gott komme, dann kann der Mitmensch nie draußen bleiben. Dann kann ich nicht anders, als Gott die Ehre genau darin zu geben, dass ich meinen Mitmenschen achte und mich von seiner Not anrühren lasse. Dann beginnt der Kristall im Stein sich zu entfalten!

Was ihr den Geringsten meiner Brüder und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan – sagt Jesus. Ich habe am vergangenen Wochenende in der Nähe von Palermo ein beschlagnahmtes Seenotrettungsschiff im Mittelmeer besucht. Ich habe Menschen getroffen, die von diesem Boot gerettet wurden, bevor die Rettung verboten wurde. Ich habe in ihre Gesichter geschaut und das Antlitz Gottes in ihnen gesehen. Es ist eine Schande, wenn jetzt Menschen im Mittelmeer ertrinken, weil die organisierte zivile Seenotrettung unter Strafandrohung gestellt wird!

Vielleicht hat so mancher gerade bei der öffentlichen Diskussion um die Flüchtlinge immer wieder das Gefühl, dass hier moralische Höchstleistungen verlangt werden, zu denen wir einfach nicht die Kraft haben. Deswegen ist ein zweites so wichtig, was Jesus uns als Schatz mit auf den Weg gibt: die Kraft der Vergebung. "Vergib uns unsere Schuld wie auch wir vergeben unseren Schuldigern", so beten wir im Vaterunser. Gottes Arme sind nicht offen, weil wir moralische Höchstleistungen erbracht und unser moralisches Punktekonto auf die richtige Höhe gebracht haben. Gottes Arme sind offen, weil wir seine kostbaren Geschöpfe sind und weil er uns seine Liebe in unserem Herzen spüren lässt, so dass wir mit Psalm 139,14 sagen können: Ich danke Dir Gott, dass ich wunderbar gemacht bin.

Kürzlich hat mich einer gefragt: wie werde ich ein guter Mensch?

Meine Antwort war: Du wirst nicht ein guter Mensch, du bist schon ein guter Mensch! Über uns Sünder hat Martin Luther einmal Folgendes gesagt: "Darum nämlich, weil sie geliebt werden, sind die Sünder "schön", nicht aber werden sie geliebt, weil sie "schön" sind." Unter Gottes liebenden Blick – so höre ich diese Worte - wird auch der größte Sünder schön.

Deswegen, liebe Gemeinde, nicht weil wir erst gute Menschen werden müssten, sind wir für andere da, sondern weil Gottes Liebe unser Herz so voll macht, dass es überfließt zum Nächsten.

Ist das nicht die stärkste Grundlage für unser Leben?

Ja, es stimmt wirklich: In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis. Lasst uns diese Botschaft leben und weitersagen!

Frohe Pfingsten!

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

AMEN