Es besteht eine Diskrepanz zwischen der Beliebtheit des Wortes Mission im weltlichen Sprachgebrauch und einer gewissen Zurückhaltung und Ängstlichkeit im kirchlichen Umgang. Wie bekannt, hatte ja Berti Vogts mit der Nationalelf einst eine wichtige "Mission" bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Frankreich zu erfüllen. Nachdem seine "Mission" daneben ging, nahm er seinen Hut. Dies ist nur ein Beispiel von vielen.
Der Lutherische Weltbund formulierte unlängst Richtlinien zur Mission und hielt fest:
"Mission ist die gemeinsame Verantwortung jedes Christen, jeder Gemeinde und jeder Kirche; Mission an jedem Ort ist das Privileg und die gemeinsame Verantwortung der weltweiten Kirche."
Auch der Ökumenische Rat der Kirchen hält in einer Erklärung zur Mission von 1982 fest:
"Die Kirche ist in die Welt gesandt, um Menschen und Nationen zur Buße zu rufen, Vergebung der Sünden und einen Neuanfang in den Beziehungen mit Gott und den Nächsten durch Jesus Christus zu verkündigen."
Dagegen steht unsere Zurückhaltung, schon wenn es um das Wort Mission geht. Der Begriff wird als belastend empfunden und mancher redet lieber von "Eine Welt - Verantwortung".
Warum Missionierung kritisch gesehen wird
Natürlich hat das Gründe. Im Hintergrund stehen Erfahrungen der Zerrformen von Missionierung, die mit dem eigentlichen Auftrag des Evangeliums nichts zu tun haben. Es sind Zerrformen, mit der die protestantischen Kirchen nur wenig belastet sind. Aber auch hier gab es Entwicklungen die - aus unserer heutigen Sicht - nicht gut waren. Dazu gehört der Kulturprotestantismus, den auch Bismarck vertrat. Er erklärte im Reichstag, dass Mission darum eine so wichtige Aufgabe sei, weil sie den Bewohnern Afrikas die gebotene menschenwürdige Kultur bringen würde.
Eine andere beispielhaft problematische Entwicklung gab es in Papua-Neuguinea. Im Animismus unter den über 700 Stämmen war die Ehe mit mehreren Frauen erlaubt. Kam ein Eingeborener zum Glauben, so wurde von ihm verlangt, sich bis auf eine Frau von allen anderen zu trennen. Die Folge war, dass die Männer sich von den älteren Frauen trennten, sie damit ins soziale Elend stießen und die jüngere behielten. Während für den Mann das Evangelium zur frohen Botschaft wurde, wurde sie für die entlassenen Frauen zur Botschaft des sozialen Elends.
Die Reformatoren hatten mit Mission wenig im Sinn. Schon das Wort war unbekannt. Wozu auch. Noch im 17. Jahrhundert wurde in der Theologie ernsthaft die Frage diskutiert, ob Menschen schwarzer Hautfarbe eine Seele hätten, ob sie denn zu Gott bekehrbar wären, oder doch eher bessere Haustiere ohne jedes göttliche Verständnis. Diese Diskussion lieferte eine bequeme theologische Begründung für den damaligen Sklavenhandel.
Die Geschichte der protestantischen Missionsarbeit
Die Geschichte der protestantischen Missionsarbeit ist gerade mal gut 250 Jahre alt. Es war Nikolaus Ludwig von Zinzendorf in Herrnhut, August Hermann Francke in Halle, die Väter des Pietismus, die in Deutschland die Weltmission begründeten. Zinzendorfs "Boten" gingen in fremde Länder - ohne Möbelcontainer und ohne Euroscheck-System. Sie kümmerten sich nicht um die theologische Diskussion der Alten Welt. Sie nahmen die Herausforderung des Missionsbefehls aus Matthäus 28 einfach wörtlich:
"Geht hin und machet zu Jüngern alle Völker. Und siehe ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende."
Allein Herrnhut hat in wenigen Jahren über 300 Missionare ausgesandt. Es war meist ein Abschied für immer. Nur zwei Weisungen bekamen sie von Zinzendorf mit: Sie sollten "Erstlinge" sammeln und "eilends arbeiten".
Es war schon revolutionär, was Zinzendorf festhielt: "Mit des Herrn Hilfe wird es gelingen, auch in die entferntesten Winkel der Welt zu gelangen" und seine Aussage:
"Ich anerkenne keinen Unterschied des Standes (der damals so trennend war zwischen "oben" und "unten"), der Rasse, der Sprache, die Christenmenschen voneinander trennen könnten."
Die ersten Missionare mussten zunächst 900 Kilometer zu Fuß gehen. Dann mit einem hölzernen Schiff ins damalige Westindien. Sie waren bereit, sich als Sklaven verkaufen zu lassen, nur um den dortigen Sklaven das Evangelium zu bringen. Viele sind dem Klima und den weißen Kolonisten in Übersee zum Opfer gefallen. Man trauerte oft in Herrnhut, doch alle Lücken wurden immer wieder geschlossen. Keine deutsche oder europäische Kirche hat Zinzendorf bei dieser Missionsarbeit unterstützt.
Was bedeutet Mission in der Gegenwart?
Und heute? Im letzten Jahr hat die Landessynode zu einem Studientag zum Missionsverständnis in unserer Zeit nach Augsburg eingeladen. Dabei stellte der tansanische Bischof Mwakisunga die Frage:
"Kann es die hochgeachtete bayerische Landeskirche ertragen, dass das von ihr so wertgeschätzte Land zum Missionsfeld geworden ist, das zur Bewältigung der Aufgaben auch Evangelisten aus Tansania braucht?"
In der Tat, es ist nicht zu übersehen, dass wir uns, vor allen Dingen in den Großstädten und den Neuen Bundesländern, immer mehr in einer missionarischen Situation befinden, die uns herausfordert. Haben wir den Missionsbefehl nicht zu sehr statisch - geographisch verstanden, nachdem Volk um Volk gewonnen werden muss, bis die ganze Welt erreicht wurde? Ist nicht jede Generation neu "ein Volk", das für das Evangelium erreicht werden muss?
Die Zahlen sind deutlich: 64 Prozent der Jugendlichen in den Neuen Bundesländern, über 20 Prozent in den Alten Bundesländern bezeichnen sich als Atheisten - und die Zahlen steigen.
Aufgaben der Mission
Vom Theologen Emil Brunner stammt der Satz: "Die Kirche existiert durch die Mission, so wie das Feuer dadurch existiert, dass es brennt". Der Sozialwissenschaftler Claus Leggewie sagte es in Tutzing so:
"Denn ich glaube, dass eine Religion, die den Anspruch aufgibt, missionarisch zu sein, also nicht Mission praktiziert, ihre Demission praktiziert. Sie missioniert nicht, sie demissioniert."
Mission hat eine große Breite: Es beginnt mit dem verkündeten Heil, geht aber nicht an der Not des Menschen vorbei. Die soziale Aufgabe, die Entwicklungshilfe, das Teilen der Güter, die Gott uns anvertraut hat, gehört untrennbar zur Mission dazu. Und: Mission kann nie im Überzeugen des anderen geschehen, sondern im bezeugenden Gewinnen, und, dem anderen das Zeugnis unserer Hoffnung gönnen über den Herrn, der uns das Herz abgewonnen hat.