Herr de La Lanne, wie steht es nach der Corona-Krise, während des Ukraine-Kriegs und einer hohen Inflation und beginnenden Wirtschaftsflaute um die Finanzen der Landeskirche?

de La Lanne: Es könnte schlechter sein - und natürlich aus Sicht des Finanzchefs auch besser. Konkret planen wir für kommendes Jahr mit etwa 980 Millionen Euro an Einnahmen - denen stehen 948 Millionen Euro an Aufwendungen gegenüber.

Nach Abzug aller sonstigen Kosten bliebe damit ein Überschuss von 32 Millionen Euro.

Das ist zwar erfreulich, das Gebot der Sparsamkeit aber bleibt.

Weshalb genau? Seit Jahren heißt es immer wieder, die finanzielle Lage wird schwieriger - und dann gibt es regelmäßig steigende Kirchensteuereinnahmen und Überschüsse...

de La Lanne: ... beides schließt sich ja nicht aus. Es ist richtig, dass wir mehr einnehmen. 82 Prozent unserer Einnahmen sind Kirchensteuern. Und weil es der Wirtschaft und den Menschen in Bayern bis jetzt ziemlich gut geht, geht es auch der Landeskirche verglichen mit anderen Kirchen recht gut.

Aber: Wir haben in unserer Bilanz einen Fehlbetrag von 674 Millionen Euro im Jahr 2020, der gesenkt werden muss.

Woher genau kommt ein Fehlbetrag in so einer schwindelerregenden Höhe - das sind ja mehr als zwei Drittel eines landeskirchlichen Jahreshaushaltes?

de La Lanne: Der Hauptgrund sind die Versorgungsleistungen, also die Ruhestandsgehälter für Kirchenbeamte wie Pfarrerinnen und Pfarrer oder Diakoninnen und Diakone. Der Hauptgrund für den bilanziellen Fehlbetrag liegt in den Versorgungsverpflichtungen. Diese Verpflichtungen übersteigen unser bilanziell ausgewiesenes Vermögen.

Und wie kommt man von einem solchen Fehlbetrag wieder herunter?

de La Lanne: Da sind wir gerade dran. Der Jahresabschluss für 2021 liegt jetzt vor. Nachdem wir im ersten Corona-Jahr 2020 ein Minus von 66 Millionen Euro gemacht haben, haben wir im Jahr 2021 nun einen Überschuss von 98 Millionen Euro. Damit haben wir den Fehlbetrag auf dann "nur" noch 575 Millionen Euro im Jahr 2021 absenken können. Das ist ein erster und wichtiger Schritt. Darüber hinaus verfügen wir auch über Stille Reserven.

Sie planen auf der Herbstsynode neben der Vorstellung des Jahresabschlusses 2021 und dem Haushaltsentwurf für 2023 auch einen Nachtragshaushalt für 2022 einzubringen - weshalb?

de La Lanne: Die vielfältigen Krisen stellen uns als Kirche vor immer neue Herausforderungen, die Ende 2021 bei der Beratung des Haushalts für 2022 noch nicht absehbar waren. Wir wollen zehn Millionen Euro für ukrainische Geflüchtete zur Verfügung stellen. Im Frühjahr war mit der Synode vereinbart worden, dass wir dies jetzt in die Synode einbringen.

Außerdem soll es Geld für die sogenannten Zwangsstellenteiler geben. Können Sie kurz erläutern, was es damit auf sich hat?

de La Lanne: Zwischen 1984 und 2009 bekamen in der bayerischen Landeskirche Pfarrersehepaare, die ihren Dienst antraten, regelmäßig zusammen nur eine ganze Stelle, auch wenn beide Ehepartner gerne voll arbeiten wollten. Denn es gab damals deutlich mehr Bewerber als verfügbare Pfarrstellen, und man wollte alle ausgebildeten und geeigneten Theologinnen und Theologen einstellen.

Diese Zwangs-Stellenteilung hat natürlich dann auch Auswirkungen auf deren Ruhestandsgehälter. Die entstandene Versorgungslücke wollen wir mit 24,5 Millionen Euro ein wenig schließen.

Viele Menschen ächzen unter steigenden Kosten - auf die 300 Euro Energiepreispauschale wird Kirchensteuer fällig. Manche Kirchen wollen dieses Geld nicht behalten, wie will es die ELKB halten?

de La Lanne: Wir wollen unseren Kirchengemeinden, Zuwendungsempfängern und Einrichtungen im kommenden Jahr beistehen - mit fünf Millionen Euro für Heizkostenzuschüsse und fünf Millionen für Klimainvestitionen. Darüber hinaus wollen wir der Diakonie in Bayern weitere drei Millionen Euro zur Verfügung stellen.

Es soll nirgendwo eine Kirche oder ein Gemeindezentrum Heiligabend geschlossen bleiben, weil die Heizung nicht mehr betrieben werden kann. Auch in Seniorenheimen darf niemand frieren!

Angesichts all dieser - auch finanziellen Herausforderungen - wie viel gestalten Sie mit ihrer Finanzabteilung eigentlich noch, und wie viel müssen Sie vor allem verwalten?

de La Lanne: Sie haben recht: Wir rechnen mit sinkenden Mitgliederzahlen und damit natürlich auch weniger Kirchensteuereinnahmen. Insgesamt müssen wir bis 2030 189 Millionen Euro einsparen. Das klingt erst einmal nach viel Leitplanken und wenig Spielraum. Deshalb haben wir uns in der Finanzabteilung das sogenannte Sparschwein-Modell ausgedacht...

...das schreit geradezu nach einer Erklärung: Wie kann man angesichts dieser Zahlen und Prognosen noch etwas zur Seite legen und in ein Sparschwein werfen?

de La Lanne: Die Kritik an meinen Amtsvorgängern war stets, dass sie zu "defensiv" an die Finanzen rangehen - und es am Ende doch Überschüsse gibt. Die Situation haben wir ja jetzt wieder: Wir sollen sparen und es gibt am Ende ein Plus.

Ein Teil dieser Überschüsse soll zukünftig zur Deckung des Fehlbetrages unserer Bilanz verwendet werden.

Aber ein anderer Teil kommt für Schwerpunkte wie den Klimaschutz ins Sparschwein.

Blicken wir trotzdem noch mal kurz aufs Thema Einsparungen. Wie sollen diese 189 Millionen Euro bis 2030 zustande kommen, haben Sie da schon eine Idee? Was ist für Sie verzichtbar?

de La Lanne: Ich bitte um Verständnis, dass ich da jetzt keine konkreten Punkte nennen will - denn das muss die Landessynode entscheiden. Fakt aber ist: Wir müssen uns alle Handlungsfelder unserer Kirche anschauen und dann entscheiden, was wir weiter machen wollen und was nicht.

Kirche muss nicht alles machen. Wir haben einen Kernauftrag und auf den sollten wir uns konzentrieren.

Herr de La Lanne, das ist sehr allgemein. Konkret gefragt: Derzeit wird an einem Gutachten über kirchliche Tagungs- und Gästehäuser gearbeitet - werden daraus dann Konsequenzen gezogen?

de La Lanne: Das müssen Sie die Synodalen fragen. Die Synode hat uns den Auftrag gegeben, solch ein Gutachten erstellen zu lassen. In der bayerischen Landeskirche wird seit mehr als 20 Jahren über die Tagungshäuser diskutiert, entschieden wurde bislang kaum etwas.

Und immer, wenn es Vorstöße gab, ist man nach Protesten wieder zurückgerudert. So funktioniert das künftig nicht mehr...

... weil sich die Kirche die Vielzahl der Häuser, die - wirtschaftlich gesehen - zumindest teilweise einfach nicht gut dastehen, nicht mehr leisten kann?

de La Lanne: Kann, will, darf - das ist die Frage. Natürlich kann man sich das leisten, aber dafür dann eben andere Dinge nicht mehr. Es ist doch so: Egal welches Handlungsfeld man anpackt, immer gibt es jemanden, der genau dieses Handlungsfeld für das Wichtigste überhaupt und für unantastbar hält. Das mag ja aus dem persönlichen Blickwinkel auch stimmen, aber so kommen wir nicht weiter.

Diese Debatten werden - auch in der Landessynode - verständlicherweise immer sehr emotional geführt. Haben Sie eine Idee, dieses Dilemma zu beseitigen?

de La Lanne: Das versuchen wir ja gerade bei den Tagungshäusern, indem wir möglichst objektive Kriterien zusammentragen und anhand dieser dann bewerten können: Was machen wir weiter, was lassen wir bleiben? Das sind zum einen natürlich betriebswirtschaftliche Kennzahlen, aber eben auch spirituell-theologische Aspekte.

Am Ende muss man aber auch hier Entscheidungen treffen.

Am Ende, sagen Sie, es entscheidet die Synode. Was, wenn es aber keine Mehrheiten unter den Synodalen für unangenehme Sparentscheidungen gibt?

de La Lanne: Die Synode ist der Haushaltssouverän. Ich werde als guter Demokrat jede Entscheidung der Landessynode akzeptieren und umsetzen. Trotzdem werbe ich für die Entwürfe meiner Abteilung, die versuchen, einerseits die Spar-Notwendigkeiten zu berücksichtigen, aber andererseits eben auch die profilschärfenden Aufgaben und Angebote von Kirche nicht aus den Augen zu verlieren.